Der Schwarm
die Sichtbrillen aufsetzten.
»Fertig«, sagte Greywolf. Er schloss Daumen und Zeigefinger zu einem Kreis, dem Taucherzeichen für Okay. »Holen wir sie rein.«
Roscovitz nickte und schaltete die Lockruf automatik ein. Er sah die Wissenschaftler ins Becken springen, die Körper angeleuchtet von den Unterwasserscheinwerfern. Sie schwammen näher heran. Auf Höhe der Schleuse tauchten sie nacheinander ab.
Er öffnete die unteren Schotts.
Delaware sank kopfüber auf die Instrumentenanzeige am Schleusenrand zu. Noch während sie abtauchte, setzten sich die mächtigen Stahlplatten drei Meter unter der gläsernen Abdeckung in Bewegung. Sie sah zu, wie die Schotts auseinander fuhren und den Blick in die Meerestiefe freigaben. Sofort huschten zwei Delphine ins Innere. Sie wirkten nervös und stießen mit den Schnauzen gegen das Glas. Greywolf machte das Zeichen, noch zu warten. Ein weiterer Delphin schwamm in die Schleuse.
Mittlerweile hatten sich die Stahlschotts vollständig geöffnet. Unter der Glaskuppel gähnte der Abgrund. Delaware spähte angestrengt in die Dunkelheit. Noch war nichts Außergewöhnliches zu sehen, kein Leuchten, keine Blitze, keine Orcas und keiner der übrigen drei Delphine. Sie ließ sich tiefer sinken, bis ihre Hände die Glasfläche berührten, und suchte die Tiefe nach den anderen ab. Plötzlich schoss ein viertes Tier heran, drehte sich um seine Achse und schwamm ins Schleusenbecken. Greywolf nickte, und Delaware gab das Signal an Roscovitz. Langsam rückten die Stahlplatten wieder aufeinander zu und schlossen sich mit dumpfem Dröhnen. Im Innern der Schleuse nahmen die Messfühler ihre Arbeit auf und untersuchten das Wasser auf Verunreinigungen und Kontaminate. Nach wenigen Sekunden gab die Sensorik grünes Licht und leitete die Freigabe an Roscovitz' Konsole weiter. Lautlos glitten die beiden Glasschotts auseinander.
Kaum war der Spalt breit genug, drängten sich die Tiere hindurch und wurden von Greywolf und Anawak in Empfang genommen.
Peak sah zu, wie Roscovitz das gläserne Dach wieder schloss. Sein Blick ruhte auf den Monitoren. Rubin war an den Rand des Beckens getreten und starrte hinab auf die Schleuse.
»Da waren's nur noch zwei«, summte Roscovitz.
Aus den Lautsprechern drangen Pfiffe und Klicklaute der Delphine,die noch draußen waren. Sie wurden zusehends nervöser. Greywolfs Kopf erschien an der Wasseroberfläche, dann tauchten Anawak und Delaware auf.
»Was sagen die Tiere?«, wollte Peak wissen.
»Immer noch dasselbe«, erwiderte Greywolf. »Unbekannte Lebensform und Orcas. Irgendwas Neues auf den Monitoren?«
»Nein.«
»Das muss nichts heißen. Holen wir die letzten beiden rein.«
Peak stutzte. Die Bildschirme hatten an den Rändern tiefblau zu leuchten begonnen.
»Ich glaube, Sie sollten sich beeilen«, sagte er. »Es kommt näher.«
Die Wissenschaftler tauchten erneut zur Schleuse. Peak rief das CIC.
»Was seht ihr da oben?«
»Der Ring zieht sich weiter zusammen«, schnarrte Lis Stimme aus den Boxen der Konsole. »Die Piloten sagen, das Gebilde taucht ab, aber auf dem Satellitenbild ist es noch deutlich zu erkennen. Scheint, als wolle es unter das Schiff. Es müsste bald heller werden bei euch da unten.«
»Es wird hell. Womit haben wir es zu tun? Mit der Wolke?«
»Sal?« Das war Johanson. »Nein, ich glaube nicht, dass es noch Wolkenform hat. Die Zellen sind verschmolzen. Das ist ein kompakter Schlauch aus Gallerte, und er kontraktiert. Ich weiß nicht, was da passiert, aber ihr solltet wirklich zusehen, dass ihr fertig werdet.«
»Wir haben's gleich. Rosco?«
»Schon passiert«, sagte Roscovitz. »Ich öffne das Schott.«
Anawak hing wie gebannt über dem Glasdach. Diesmal war es anders, als die Stahlplatten auseinander wichen. Beim ersten Mal hatten sie in dunkelgrüne Düsternis gestarrt. Jetzt war die Tiefe von einem schwachblauen Leuchten erfüllt, das langsam an Intensität zunahm.
Das hier sieht anders aus als die Wolke, dachte er. Eher wie Lichtschein, der ringsum abgestrahlt wird. Er dachte an die Satellitenaufnahme, die sie im CIC gesehen hatten. An den Schlund der gewaltigen Röhre, in deren Zentrum die Independence lag.
Plötzlich wurde ihm klar, dass er ins Innere dieser Röhre sah. Der Gedanke an die Ausmaße des Schlauchs ließ seinen Magen rotieren. Überfallartig überkam ihn Angst. Als wie aus dem Nichts der Körper des fünften Delphins ins Becken schnellte, fuhr er zurück, kaum fähig, seinen Fluchttrieb zu
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