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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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die sich in einem Pakt dem Teufel verschrieben und von ihm neben vielen anderen Dingen die Fähigkeit erhalten hatten, sich in Wölfe zu verwandeln und so nächtens unter den Christenmenschen auf Raub und Mord auszugehen. Nichts konnte sie aufhalten außer einer geweihten Silberkugel oder dem mächtigen Exorzismus eines noch mächtigeren Hexenbanners.
     
    Jetzt konnte er die blinkenden, silbernen Augen der Untiere sehen und ihre langen, halb offen stehenden Schnauzen, aus denen der Geifer tropfte. Sie waren unheimlich ruhig; nur der Leitwolf ließ bisweilen sein leises, heiseres, jaulendes Klagen hören. Sie waren sich ihrer Beute sicher.
     
    Pater Hilarius hatte dem erschauernden Bruder Martin daheim am Kaminfeuer im Parlatorium des Klosters Eberberg viele Geschichten von Hexen erzählt, die nachts als Werwölfe in die Häuser und Stallungen der Bauern einbrachen und Mensch und Vieh ohne Unterschied rissen. Manchmal gelang es einem Beherzten, einem dieser Geschöpfe des Satans eine Wunde zuzufügen, und es war oft geschehen, dass am nächsten Tag der oder die der Zauberei Beschriene an genau derselben Stelle verletzt war, an welcher der Wolf getroffen worden war. Das war ein untrügliches Zeichen für eine Hexe oder einen Zauberer und reichte zu einer Verurteilung und zum Verbrennen allemal aus.
     
    Sie kreisten Martin immer enger ein. Hier waren sie, die Heerscharen der Hölle. Sie trieben ihn auf eine monddurchflutete Lichtung, in deren Mitte sich eine einsame, abgestorbene Eiche erhob; ihre uralten Äste reckten sich knorrig und gezackt wie ein erstarrter Blitz der Nacht entgegen.
     
    Er konnte inzwischen alle Tiere deutlich erkennen. Es waren acht. Eines von ihnen war ihm bereits etwas näher gekommen als die anderen, die einen Kreis bildeten. Der Leitwolf. In seinen Augen glitzerte alle Bosheit der Hölle.
     
    »Weicht, ihr Hexen und Zauberer! Im Namen des Herrn, ich befehle es euch!«, schrie Martin heiser und wirbelte herum. Sie ließen sich nicht aufhalten. Schien es ihm nur so, oder hatten sie ihre grässlichen Mäuler nun tatsächlich zu einem spöttischen Lächeln verzogen?
     
    »Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes …«
     
    Was hätte Pater Hilarius in dieser Situation getan? Er hätte einen Ausweg gefunden.
     
    Der Kreis zog sich immer enger um ihn, aber noch griffen die Werwölfe nicht an. Gehetzt sah der junge Mönch sich um. Nichts bot ihm Schutz. Nichts außer dem abgestorbenen, knorrigen Baum. Er rannte zu dem kahlen, rindenlosen Stamm, der glatt wie die Schuppen eines Fisches war. Der erste Ast befand sich erst in einer Höhe von vier oder fünf Ellen über dem Boden. Martin sprang hoch und konnte ihn mit der Hand berühren. Aber er fand keinen Halt.
     
    Die Wölfe begannen zu knurren. Es war ein Geräusch, das dem Mönch die Haare zu Berge stehen ließ. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Er nahm einen kurzen Anlauf, sprang wieder – und konnte sich nun an dem Ast hochziehen. Das tote Holz ächzte und knarrte bedenklich. Hoffentlich konnte es ihn tragen. Er zog sich hoch, bis er schließlich auf dem Ast saß. Dieser gab zwar noch einmal ein unwilliges Knirschen von sich, aber er hielt.
     
    Die Wölfe hatten den Baum umzingelt. Der erste sprang hoch. Beinahe hätte er mit seinen im Mondlicht funkelnden Krallen den Mönch erreicht. Martin stellte sich vorsichtig auf den Ast und kletterte von dort aus noch höher, bis er schließlich glaubte, in Sicherheit zu sein. Die Wölfe gaben es auf, nach ihm zu springen, und warteten stattdessen. Sie legten sich in das tauglänzende Gras und sahen hoch zu ihrer Beute. Martin hatte sich dort auf den Ast gesetzt, wo dieser aus dem Stamm hervorwuchs, und lehnte nun mit dem Rücken gegen das abgestorbene Holz. Es dämmerte ihm, dass er zwar für den Augenblick außer Gefahr, aber trotzdem verloren war. Schließlich musste er irgendwann wieder herabsteigen, und dann war es um ihn geschehen. Auf Hilfe konnte er in diesem gottverlassenen Wald nicht hoffen.
     
    Er spürte, wie er müde wurde.
     
    Die Ereignisse des Tages und der Nacht waren einfach zu viel für ihn.
Nur nicht einschlafen!,
herrschte er sich selbst an.
Nur nicht einschlafen!
Im Schlaf würde er rasch das Gleichgewicht verlieren und vom Baum fallen.
Nur nicht einschlafen!
     
    Die Wölfe schauten ihn an – alle. Ja, sie lächelten eindeutig. Und dann sagte der Leitwolf in einer seltsamen, knurrenden Stimme zu ihm: »Du kannst uns nicht entkommen. Wir werden uns an

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