Der schwarze Atem Gottes
nahm diesen auf und hängte ihn sich über den Rücken. Dann ergriff er seinen Dudelsack, klemmte ihn unter den Arm und ging.
»Halt!«, rief Martin ihm hinterher. »Du kannst mich doch nicht einfach hier allein zurücklassen!«
»Kannst mit mir kommen, wenn du willst«, rief Federlin über die Schulter. Weder drehte sich der Gaukler um noch hielt er an. Seine Gestalt drohte mit der Nacht zu verschmelzen.
»Warte!« Martin rannte ihm nach. Seine Schritte federten auf dem feuchten, weichen Gras. »Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit …«
Federlin sah offenbar noch immer keinen Grund, sich umzudrehen.
Jetzt hatte Martin ihn erreicht und zupfte an dem stark geflickten Wams des Gauklers. »Ich bin mir inzwischen sicher, dass sich das Kloster sehr dankbar für die Rettung des Paters Hilarius zeigen wird – nicht nur in geistlicher Hinsicht.«
»Kannst du mir das garantieren?« Jetzt war Federlin endlich stehen geblieben. Er sah Martin tief in die Augen. In seinem Blick lag etwas erschreckend Spöttisches, etwas Blasphemisches. Der Mönch bemerkte im silbernen Licht des hinter den Wipfeln versinkenden Mondes, dass das linke Auge des Gauklers dunkelgrün war, das rechte hingegen schwefelgelb. Ob es richtig war, mit einem solchen Menschen einen Handel einzugehen? War das nicht genauso, wie wenn man einen Pakt mit dem Teufel abschließt? Aber was blieb Martin denn übrig, wenn er dem Pater helfen wollte?
»Ja, du hast mein Wort als Benediktiner darauf«, sagte er schließlich.
»Das ist herzlich wenig«, erwiderte Federlin. Der Spott in seinem Blick war noch beißender geworden. »Du solltest dir gewiss sein, dass meine Rache fürchterlich sein wird, wenn du dein Wort nicht hältst.«
Martin nickte.
»Na gut, dann will ich das Leben deines Ersatzgottes gnädigerweise retten«, sagte Federlin, seufzte laut auf und ging weiter. »Folge mir und habe keine Angst.«
Und sie verließen die Lichtung und gingen in den düsteren, sterndurchglühten Wald hinein.
Es ist, als wolle die Morgendämmerung nie kommen,
dachte Martin, während er auf sein schwarzes Schicksal zustolperte.
6. Kapitel
Auf dem wilden Ritt durch den Nachtwald wusste Maria bald nicht mehr, ob sie noch aus Fleisch und Blut oder bereits zu einem Gespenst geworden war. Die Angst vor ihren mordlüsternen Spießgesellen und vor diesem schrecklichen alten Mönch war über ihr zusammengeschlagen und hatte sie unter sich begraben. Sie hatte die Finger in Josefs blauen Bauernkittel verkrallt und kauerte hinter ihm auf dem harten und schmalen Sattel. Sie flogen den anderen voraus und waren so schnell wie eine Hexe auf dem Weg zum Sabbat. Maria bekam kaum mehr Luft. Der Galopp des Pferdes rüttelte sie, die es nicht gewohnt war zu reiten, mit schrecklicher, unwiderstehlicher Macht durch.
Sie hatte nicht die Zeit gehabt, Josef, den Anführer der Bande, zu fragen, ob er von dem furchtbaren Mord seiner Gesellen wusste oder ob er ihn gar befohlen hatte. Ihr ging das schweinische Grunzen und Quieken des abgestochenen Mönchs nicht aus dem Sinn. Sofort nach der Tat und nachdem die Räuber in der Herberge Feuer gelegt hatten, waren sie auf ihren Pferden davongestürmt, zuerst die Landstraße hinunter, dann geradewegs in den vor Schwärze starrenden Wald. Sie hatten ihren Auftrag ausgeführt; der widerliche alte Mönch war gefangen genommen und ritt in diesem Augenblick zusammen mit Christoffel auf dessen Pferd hinter ihnen her.
Maria fühlte sich schrecklich schuldig. War sie es nicht gewesen, die den armen Mönch dem Tode überliefert hatte? Wenn sie gewusst hätte, was diese Gesellen des Teufels geplant hatten, hätte sie nicht mitgespielt. Doch nun war es zu spät für Reue. Sie hatte bei dieser schändlichen Tat mitgewirkt und fragte sich, ob sie je wieder ihres Lebens froh werden konnte. Zugegeben, sie hatte schon oft das Gesetz verhöhnt, aber noch nie war sie für den Tod eines anderen Menschen verantwortlich gewesen. Sie hielt nicht viel von den feisten, vollgefressenen Mönchen, die den armen Leuten die Höllenqualen in den schillerndsten Farben malten, nur damit die Bauern und einfachen Handwerker für ihr Seelenheil so viel Geld und Gold und Schmuck und Land spendeten wie möglich. Es war eines, die Mönche dafür zu verachten, dass sie sich an den Armen mästeten, aber es war ein anderes, einen von ihnen einfach umzubringen. Obwohl es manchmal nicht den Anschein hatte, so
Weitere Kostenlose Bücher