Der schwarze Atem Gottes
möglich an die kleine Öffnung und flüsterte dem Wächter etwas zu.
Sofort schloss sich die Klappe.
»Was hast du da getan, du Wahnsinniger!«, schrie Hilarius und ballte die Fäuste. In wenigen Sekunden würden die Reiter sie erreicht haben und dann … »Willst du uns alle umbringen!«
Da öffnete sich das Tor einen Spaltbreit. Federlin lächelte, verbeugte sich spöttisch vor dem Pater und ließ ihm den Vortritt. Sofort schlüpften Hilarius, Martin und Maria hindurch; Federlin folgte, nachdem er einen letzten Blick zurück geworfen hatte. Dann schloss sich das Tor wieder. Draußen wurden die wiehernden Pferde gezügelt; man hörte, wie die Bande absaß, und es hämmerte gegen das Tor. Der Wächter trat einige Schritte zurück. Bald ließ das Hämmern nach; die Bande hatte eingesehen, dass sie heute Nacht nicht in das Städtchen hineinkommen konnte.
Was mochte Federlin dem Wächter gesagt haben? Hilarius sah, dass der Mann bleich wie Kerzenwachs war und am ganzen Leibe zitterte. Nachdem es am Tor still geworden war, trat der Pater auf den Wächter zu und fragte ihn: »Wie heißt dieser Ort?«
Zuerst schien der Wächter die Frage nicht verstanden zu haben. Doch dann antwortete er langsam: »Burgebrach.« Er ging mit seltsam eckigen Schritten zurück in sein Wächterhaus und schlug die Tür hinter sich zu.
8. Kapitel
»Was hast du zu ihm gesagt?«, flüsterte Martin dem Gaukler zu, nachdem der Wächter in seinem Torhäuschen verschwunden war.
Federlin gab nur ein seltsames Lächeln als Antwort. Er wäre auch kaum dazu gekommen, etwas zu sagen, denn schon polterte Hilarius los:
»Das darf doch wohl nicht wahr sein! Du hast uns an der Nase herumgeführt, du elender Gaukler! Du Verbrecher! Aber wenn du glaubst, dass du mich übertölpelt hast, dann hast du dich geirrt! Ich werde wieder nach draußen gehen!« Und er drehte sich zum Tor um und ging tatsächlich darauf zu.
»Seid doch vernünftig!«, warnte Maria ihn. »Hinter dem Tor warten die Mordbuben!«
»Mit Gottes Hilfe werde ich ihnen schon entwischen.«
»Da wäre ich mir an Eurer Stelle aber nicht so sicher«, warf Federlin ein, während er am Halteseil seines Dudelsacks spielte. »Ihr habt schon recht: Gott hilft seinen Geschöpfen oft – aber nur dann, wenn er es will.«
Hilarius wirbelte herum und sah den Gaukler mit brennenden Augen an; sein ausgemergeltes Gesicht war hasserfüllt. »Warum soll er es nicht wollen? Ich bin ein Krieger Gottes!«
»Manchmal glauben die Krieger Gottes, dass sie für ihn kämpfen; in Wahrheit aber kämpfen sie gegen ihn. Das, was auf den ersten Blick weiß aussieht, könnte in Wirklichkeit auch schwarz sein – und umgekehrt.«
»Dass du schwarz bist, weiß ich inzwischen – da kann es keinen Irrtum geben!«
»Ihr tut einem armen fahrenden Gesellen unrecht. Ich gebe zu, dass ich mich ein wenig im Weg geirrt habe – aber das Kloster Eberberg wäre noch weit gewesen, und mein Magen hat sich wohl erlaubt, meinem Hirn in Notwehr etwas vorzuflunkern. Ich weiß, dass es hier in Burgebrach ein gutes Wirtshaus gibt. Wäre Euch nicht ebenfalls nach einem herzhaften Braten zumute, ehrwürdiger Hilarius? Und nach einem weichen Bett? Die Sonne geht bereits unter; Ihr solltet froh sein, hier eine Zuflucht gefunden zu haben.«
Pater Hilarius drehte sich wieder nach dem Tor um und brummte etwas, das Martin nicht verstehen konnte. Der junge Mönch wünschte sich im Augenblick nichts sehnlicher, als dass Hilarius dem Gaukler nachgab und das einheimische Gasthaus aufsuchte. Er war hundemüde und hatte außerdem schrecklichen Hunger. Von der Seite her warf er einen verstohlenen Blick auf Maria. Sie stand noch aufrecht und ließ nicht erkennen, ob sie erschöpft war. Martin bewunderte diese junge Frau, die in ihrem kurzen Leben schon so vieles Schreckliche gesehen und erlebt hatte. Eine Sekunde lang verspürte er den Drang, sie in die Arme zu nehmen und vor der Welt zu beschützen, doch er begriff rasch, dass sie seinen Schutz nicht brauchte.
»Streitet euch nur weiter«, sagte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich jedenfalls werde nun in dieses Wirtshaus gehen und es mir dort gut gehen lassen.« Mit raschen Schritten lief sie in die Richtung des Ortsmittelpunktes, der von einem hoch aufragenden, spitzen Kirchturm markiert wurde. Und das Wirtshaus konnte nicht weit von der Kirche entfernt sein.
Die drei Männer starrten ihr
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