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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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fortkommt! Ein solches Teufelsgezücht dulde ich nicht unter meinem Dach!« Er wäre auf Hilarius losgegangen, wenn Federlin nicht dazwischengetreten wäre.
     
    »Beruhigt Euch, Meister«, sagte er mit sanfter Stimme. »Der Pater hat Schlimmes durchgemacht und ist etwas verwirrt. Lasst uns einfach …«
     
    »Was war das?«, schrie Hilarius; nun war auch sein Gesicht rot angelaufen. »Verwirrt? Ich gebe dir Teufelsdudler ein ›verwirrt‹!« Er krempelte die weiten Ärmel seiner schwarzen Kutte hoch und wollte schon auf Federlin eindreschen, als dieser nur ein einziges Wort sagte. Er hatte es leise gesagt, doch in diesem einen Wort lag eine Macht, die sowohl Hilarius als auch den Wirt auf der Stelle gefrieren ließ. Die anderen Gäste, die sich bisher lautstark an der Auseinandersetzung erfreut hatten, schwiegen nun ebenfalls. Es war so still, dass man einen Floh hätte husten hören können. Niemand wagte zu atmen; es war, als sei die Welt plötzlich erfroren und alles Leben auf ihr erstorben.
     
    Schließlich durchbrach Federlin diese unheimliche Stille. »Also ist es abgemacht?«, fragte er den Wirt. Dieser nickte. Und zu Hilarius gewandt: »Seid Ihr einverstanden?« Auch Hilarius brachte nicht mehr als ein Nicken zustande.
     
    Martin schüttelte verwirrt den Kopf. Was war das für ein Wort gewesen, das Federlin da gesprochen hatte? Martin hatte es genau verstanden, denn sonst wäre nicht auch ihm das Blut in den Adern erfroren, aber er konnte sich nicht mehr an dieses Wort erinnern – an keine Silbe davon.
     
    Der Wirt drehte sich um und stieg eine schmale, steile Treppe hoch, die am hinteren Ende des Schankraums in den ersten Stock führte. Von dort aus ging es über eine Hühnerleiter hinauf in den Dachboden. Als sie nach oben kletterten, fragte Martin das Mädchen leise: »Was hat Federlin da gesagt?«
     
    Maria zuckte die Achseln und wisperte zurück: »Ich habe es vergessen.« Sie sah verwirrt aus.
     
    Der Dachboden entpuppte sich als ein wirres Durcheinander von alten Truhen, Teilen von Schränken und Betten, Säcken mit unkenntlichem Inhalt, Kleiderfetzen und durchlöcherten Schuhen. Zwischen all dem Unrat standen fünf Betten, die mit dreckigen, strohgefüllten Matratzen gedeckt waren.
     
    Als Hilarius dieses Gerümpel sah, holte er tief Luft und machte den Mund auf. Doch er sagte nichts. Er hatte es wohl aufgegeben. Auch er musste schrecklich müde sein – und hungrig. Schließlich aber wandte er sich an Federlin, nachdem der Wirt wieder nach unten gegangen war, und sagte: »Hilf mir dabei, mein Bett hinter die Truhen und Schrankteile da hinten zu ziehen. Dort ist genug Platz für mich.«
     
    »Warum?«, fragte Federlin nur.
     
    »Glaubst du etwa, ich will mit euch Gesindel Seite an Seite nächtigen?«, giftete ihn der Pater an.
     
    Auch Martin fühlte sich von diesen Worten getroffen. Was war bloß mit Hilarius los? Martin kannte ihn als strengen und asketischen, aber gerechten Mann. Nie zuvor war er so streitlustig, herablassend und rechthaberisch gewesen.
     
    Nachdem er zusammen mit Federlin das Bett abseits hinter die Bretter und Möbelreste geschleift und die anderen ihre eigenen Betten auserkoren hatten, gingen sie allesamt wieder hinunter – gerade rechtzeitig zum Abendessen. Sie setzten sich zufrieden an einen der beiden langen Tische. Es gab Schweinebraten mit Sauerkraut und dazu Bier und Wein. Der Braten war entsetzlich fett, das Kraut noch saurer als der Wein, doch für Martin hätte himmlisches Manna nicht besser schmecken können. Er schlang herunter, so viel er essen konnte, und spülte mit reichlich Bier und ein wenig Wein nach. Auch Hilarius sprach kräftig dem leicht gewürzten Wein zu. Federlin aß nur wenig; er unterhielt derweil die anderen Gäste mit allerlei Zauberstückchen. Er legte ein Reiskorn auf den Tisch und stülpte eine leere Muschel darüber; dann holte er noch zwei andere Muscheln aus seinem Ranzen und legte sie rechts und links daneben. Nun schob er die Muscheln mit rasender Geschwindigkeit hin und her, und die Anwesenden mussten raten, unter welcher sich das Reiskorn verbarg. Meistens rieten sie falsch; nur manchmal trafen sie die richtige Muschel, doch es hatte für Martin den Anschein, dass Federlin sie in diesen Fällen absichtlich gewinnen ließ. Bisweilen blinzelte er Martin mit seinen verschiedenfarbigen Augen belustigt zu. Zumindest gewann der Gaukler auf diese Art etliche Schoppen Bier und Wein, mit denen er auch die beiden Mönche und Maria

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