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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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ahnen – nämlich der gewaltige Beginn von etwas vollkommen und vielleicht erschreckend Neuem. Es ist doch kaum mehr als eine Binsenweisheit, dass jedes Ende einen neuen Anfang gebiert. Aber – ist dieser Anfang gut oder böse? Er kann beides sein; das wisst Ihr.« Federlin hatte ruhig und beherrscht gesprochen, doch Hilarius spürte das Feuer hinter diesen Worten. Es drohte den Pater zu verbrennen. Oh, das alles hatte er natürlich bemerkt, er wusste es, aber er wollte es nicht wissen. Er wollte sich in die Sicherheit seines Klosters zurückziehen und die Welt sich selbst überlassen. Was ging sie ihn an? Nun hatte er Bauchschmerzen. Er antwortete:
     
    »Gott spricht nicht durch einen Gaukler.«
     
    »Hat er nicht sogar durch ein Kind in der Wiege gesprochen?«
     
    »Nein, er hat nicht durch das Kind gesprochen; er war das Kind, denn das Kind ist Teil des dreieinigen Gottes.«
     
    Federlin gab nicht auf. »Wenn Gott Euch ruft, versperrt Ihr dann Eure Ohren mit Wachs?« Seine körperlose Stimme schien wieder von überall her zu kommen; sie war wie eine Schlange, die sich in das Gehirn des Paters fraß.
     
    »Warum willst du unbedingt an dieses Gerede vom Ende der Welt glauben? Und warum glaubst du, dass in Burgebrach der Schlüssel dazu liegt? Das ist doch nur ein unbedeutendes Städtchen im Osten, nicht viel mehr als ein Dorf. Geh doch hin, wenn es dich danach giert. Aber erst zeigst du mir den Weg nach Eberberg.« Hilarius schwieg eine Weile, dann fügte er langsam hinzu. »Vielleicht fällt ja dort eine Belohnung für dich ab.« Als er keine Antwort erhielt, sagte er noch: »Ich bin schrecklich müde. Wir haben morgen einen langen, harten Weg vor uns. Ich schlafe jetzt.« Er versuchte, es sich auf dem kalten Steinboden bequem zu machen, aber es gelang ihm nicht. Von den anderen hörte er ebenfalls nur noch Rascheln und schließlich Schnarchen. Es dauerte lange, bis auch Hilarius einschlief.
     
      
    »Steht auf. Es ist Zeit.«
     
    Hilarius streckte den Kopf vor, rieb sich die Augen und öffnete sie. Ein greller Lichtstrahl zwang ihn dazu, sie sofort wieder zu schließen. Er hatte drei Schemen in diesem Strahl ausmachen können.
     
    Eine andere Stimme sagte: »Kommt, Pater Hilarius. Wir sollten uns beeilen, wenn wir vor Einbruch der Dämmerung in Eberberg sein wollen.« Es war Martins Stimme.
     
    Hilarius stand auf. Sein ganzer Körper schmerzte; ein solch hartes Lager war er nicht gewöhnt. Er schlug wieder die Augen auf. Jetzt konnte er erkennen, dass das Licht durch den freigelegten Eingang der Höhle hereinströmte. Gerade war Martin dabei, hinaus ins Freie zu klettern. Maria folgte ihm; Federlin schien schon draußen zu sein. Hilarius schickte sich an, seinen unförmigen Körper durch die schmale Öffnung zu zwängen. Diesmal gelang es ihm mit geringeren Schwierigkeiten, und bald stand er in dem sonnendurchfluteten Wald. »Federlin, führ uns nach Eberberg«, sagte er mit einer Stimme, die keine Widerrede duldete.
     
    Der Gaukler hängte sich seinen Dudelsack um, nickte und ging voran. Hilarius war erstaunt, dass er sich wortlos fügte.
     
      
    Der Weg war lang und beschwerlich, auch wenn das Wetter gut und angenehm war. Sie begegneten den Mordgesellen nicht mehr; Federlin schien etliche Schleichwege zu kennen, und nur selten überquerten sie eine Straße, und noch seltener folgten sie einer für eine kurze Zeit.
     
    Der Wald schien vor Leben zu bersten; Rehe und Wildschweine sah Hilarius in der Ferne; Kaninchen und Hasen hoppelten und hasteten oft vor ihren Füßen dahin, und mehr als einmal beschwerte sich Martin und sagte, dass er großen Hunger habe.
     
    »In der Abtei wird sicherlich gut für euch gesorgt werden«, gab Federlin jedes Mal zur Antwort. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
     
    Hilarius bemerkte, dass Maria sehr oft neben Martin herging. Der Pater hörte, wie sie ihm ihre Lebensgeschichte erzählte. Bei bestimmten unziemlichen Stellen wusste der arme junge Mönch vor Verlegenheit gar nicht, wo er hinschauen sollte. Hilarius hatte diese Schwierigkeiten nicht. Wenn er diese Dirne in ihrem dreckigen, aber teuren Kleide betrachtete, wurden seine Blicke immer wieder von ihrem tiefen Ausschnitt angezogen. Er spürte, wie sich bei ihm Gefühle regten, die er lange überwunden geglaubt hatte. Dieser herrlich weiße Brustansatz, diese aufregende Wölbung, diese schmale, elegante Hüfte … all das verstörte ihn. Sie war wie eine Hexe, die einen mächtigen Liebeszauber gewirkt

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