Der schwarze Atem Gottes
nach.
»Was will sie denn dort?«, grummelte Pater Hilarius. »Sie hat doch gar kein Geld; das weiß ich genau. Ich übrigens auch nicht mehr, also können wir uns den Weg sparen. Verstocktes Frauenzimmer! Der Herr sagt: Bewahre dich vor der glatten Zunge einer Fremden.«
Federlin hob fragend eine Augenbraue.
»Sprüche 6, 24«, erklärte Hilarius selbstgefällig und faltete die Hände vor seinem dicken Bauch, während er Maria hinterhersah.
»Was das Geld angeht, so hätte ich noch ein wenig davon«, meinte Federlin sanft und verführerisch. »Es reicht allemal für einige Zimmer, wenn auch vielleicht nicht mehr für ein Essen. Aber wozu bin ich ein Spielmann? Ich bin schon oft arm wie eine Kirchenmaus in einer Stadt angekommen und habe sie doch wohlgenährt wieder verlassen.«
Martin sah seinen Mitbruder flehend an, wagte aber nicht, für Federlin Partei zu ergreifen. Sehnsüchtig schaute er nun auf Maria, die gerade in diesem Augenblick hinter einer Straßenbiegung verschwand.
Hilarius grunzte missgestimmt. Schließlich aber sagte er: »Nun gut.«
Mehr wollte Martin nicht hören. Er nahm die Beine in die Hand und rief durch die herannahende Dämmerung: »Maria! Warte auf uns!«
Martin war erstaunt, als Federlin sie nicht zum Mittelpunkt des Ortes, sondern an dessen Rand führte. »Neben der Kirche gibt es zwar den
Ochsen,
aber das
Goldene Kalb
ist viel besser.« Sie hatten Maria eingeholt und gingen nun durch die verwinkelten, abendlichen Gassen der kleinen Stadt. Ein paar Hühner scharrten im Staub der Gosse, eine Ziege meckerte irgendwo. Kaum jemand war auf der Straße zu sehen. Martin spürte, wie die Müdigkeit langsam an ihm hochkroch und sich anschickte, sogar seinen brüllenden Hunger zu überlagern. Er freute sich, als sie nach einem kurzen Marsch vor einem kleinen Haus standen, dessen Schild es als Wirtsstube auswies. Sein Erdgeschoss bestand aus Stein, und darüber ragte vorkragend ein Geschoss aus frischem Fachwerk. Warmer Schein von Kerzen drang durch die kleinen Butzenfenster hinaus auf die dunkle, staubige Straße. Federlin zögerte nicht lange und trat ein.
Drinnen saßen einige Männer bei Bier und Wein, und der Wirt kam sofort hervor, als er die neuen Gäste sah. Doch dann blieb er stehen, als habe ihn der Schlag getroffen. Er sah Hilarius und Martin an, und sein Gesicht wurde zu einer Maske des Hasses. »Papisten!«, rief er und spuckte aus. Martin hörte, wie der Speichel vor ihm auf die frisch gescheuerte Diele klatschte.
»Seid nicht so verstockt«, meinte Federlin, stellte sich vor den Wirt und klopfte ihm auf die breite Schulter. »Ihr kennt mich doch wohl, bin schon einige Male hier bei Euch gewesen. Diese Männer und das Mädchen sind meine Freunde und befinden sich in einer bedauernswerten Zwangslage. Ich bürge für sie, will sogar die Unterkunft für sie zahlen. Ist ein Goldstück genug?« Wie durch Zauberei hielt er plötzlich eine schimmernde Goldmünze in der Hand. Der Wirt entspannte sich etwas, schaute abwechselnd die Münze und die beiden Mönche an. »Alles voll«, brummte er, »aber ihr könnt auf dem Dachboden nächtigen. Für die Münze bekommt ihr dann noch ein Abendessen.«
»Ich brauche ein eigenes Zimmer«, sagte Hilarius plötzlich und sah den Wirt herausfordernd an. Martin bemerkte, wie das Gesicht des Wirtes vor Wut rot anlief.
Wie ungeschickt von ihm,
dachte Martin und hatte wegen dieses ungebührlichen Gedankens sofort heftigste Gewissensbisse. Ein Heiliger tat schließlich immer das Richtige. Aber die Aussicht auf ein Bett – und mochte es nur ein einfaches Strohlager sein – und eine warme Mahlzeit vertrieben bei Martin langsam jegliche Ehrerbietigkeit.
»Kaum reicht man einem Papisten den kleinen Finger, schon will er den ganzen Mann – und natürlich die Seele dazu«, zischte der Wirt. Federlin klopfte ihm besänftigend auf die Schulter.
»Wie sollte ich deine Seele haben wollen?«, brauste Hilarius auf. »Du hast sie doch schon verkauft – an diesen Antichristen von Luther, diesen Teufel in Mönchsgestalt!«
Seid doch ruhig!,
hätte Martin ihm am liebsten zugerufen. Er sah, wie Maria ungläubig den Kopf schüttelte und dabei den jungen Mönch vorwurfsvoll anstarrte.
Was kann ich denn schon dafür?,
wollte er sagen, doch er entschied, dass es besser war, zu schweigen.
Der Wirt ballte die Fäuste und erhob sie drohend. »Marsch, ihr Gesindel! Macht, dass ihr von hier
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