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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Bilder von zerfetzten Leichen und missgestalteten Körpern, die um den Tod bettelten. Dann verschwanden diese Visionen plötzlich, und auch die Bauchschmerzen verflogen. Hilarius atmete auf. »Wohin bringt ihr mich?«, rief er dem Reiter zu, hinter dem er kauerte, doch dieser gab keine Antwort; er wandte sich nicht einmal um.
     
    Den ganzen Tag dauerte dieser schreckliche Ritt; die Bande machte nur wenige und sehr kurze Pausen. Am Abend erreichten sie ein winziges Dorf, das aus wenigen Gehöften und einer armseligen Kirche bestand. Dieses Dorf war nur von einer Hecke umgeben und nicht von einem festen Zaun oder gar einer Mauer, wie es bei vermögenderen Dörfern bisweilen der Fall war, und daher bereitete es der Bande keine Schwierigkeiten, über die dürre Hecke hingwegzureiten, sodass sie nicht einmal das bereits geschlossene, nicht sonderlich stabil wirkende Tor durchbrechen mussten. Sie hielten vor einem Hof, der etwas abseits des Dorfes zwischen großen Linden lag. Hier schienen keine reichen Bauern zu wohnen; es gab zwar ein eigenes kleines Stallgebäude, doch das Wohnhaus wirkte so verfallen und windschief, dass Hilarius sich fragte, ob hier überhaupt noch Menschen lebten.
     
    Als die sieben Reiter und der Pater absaßen, kam aus der armseligen Hütte ein schmaler, nicht mehr ganz junger Mann gelaufen.
     
    »Was wollt ihr hier?«, rief er, hielt sich aber in gebührender Entfernung.
     
    »Nichts weiter als etwas zu essen, etwas Spaß und ein Nachtlager für uns alle«, sagte Josef, der Anführer, und ging auf den mageren Bauern zu. »Du hast doch sicher noch ein Schwein im Stall. Du solltest es schlachten, denn du hast hohen Besuch. Siehe, sogar ein Mönch ist mit uns gekommen. Selbst wenn du ein Anhänger des lutherischen Glaubens sein solltest, wirst du doch nicht den göttlichen Zorn auf dein Haupt herabrufen wollen, indem du Gottes Gesandte schlecht behandelst, oder?«
     
    Die rauen Gesellen stellten sich im Halbkreis vor dem Bauern auf. Hütlein hatte sein großes Schwert gezückt, und auch die anderen hatten ihre Waffen gezogen. »Es ist doch immer wieder schön zu sehen, wie der Herr unserem Weg frei macht und unsere Sache unterstützt, nicht wahr?«, meinte Pfäfflein zu Hilarius. Auch er hielt ein Messer in der Hand.
     
    Die Dämmerung breitete sich über die raunenden Linden und die Felder jenseits der Begrenzungshecke. Eine Amsel sang in der Abendstille. Ein kühler Wind wehte von den Feldern herein. »Ist es nicht wunderbar friedlich?«, meine Pfäfflein. »An einem solchen Abend möchte man beinahe wieder an unseren Herrn glauben.«
     
      
    Das Innere des Bauernhauses war überaus ärmlich. Einige magere Hühner scharrten im bloßen Erdboden; eine Ziege war in einer Ecke der weitläufigen Kammer an einem Pflock angebunden; ein Hund spielte mit einem Ballen Stroh, der auf einer Holzbank lag, und auf einem Schemel saß eine in dreckige Tücher gehüllte Frau und rührte in einem kleinen schwarzen Kessel, der auf dem Feuer im rußgeschwärzten Kamin stand.
     
    Die Frau schaute auf, als die Meute hereindrang, und sprang erschrocken von ihrem Hocker auf. Josef schubste den Bauern vor sich her, die anderen johlten, und Christoffel lief sofort hinüber zu der Bäuerin und stellte sich neben sie. »Welch eine Perle in diesem stinkenden Loch!«, rief er gut gelaunt.
     
    Sie musste tatsächlich einmal sehr schön gewesen sein, doch ein kurzes Leben voller Entbehrungen hatte seine Spuren auf ihrem Gesicht hinterlassen. Hilarius schätzte sie auf vielleicht achtundzwanzig Jahre.
     
    Christoffel wurde zudringlich, legte den Arm um sie und drückte mit der Hand auf ihren Busen, der sich unter dem Stoff deutlich abzeichnete.
     
    »Nimm deine dreckigen Pfoten von ihr, du Bastard, sonst …«, rief der Bauer aufgebracht, doch ein scharfer Schlag von Hütlein unterbrach ihn. Er fiel zu Boden. Hütlein versetzte ihm einen Tritt und rief: »Steh endlich auf, Bauer! Zum Schlafen ist später noch genug Zeit. Erst musst du uns ein Schwein schlachten. Wir wollen fressen und saufen!«
     
    »Ich habe aber kein Schwein. Der ganze Stall ist leer«, protestierte der Bauer und machte ein klägliches Gesicht.
     
    »Du lügst – wie alle Bauern«, gab Hütlein zurück. Dann hieb er mit seinem mächtigen Schwert auf den Tisch ein und danach auf den Hund, der dem Streich nur knapp entkommen konnte und durch die offene Tür ins Freie verschwand. Hilarius wünschte sich, er könnte es diesem Tier

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