Der schwarze Atem Gottes
gleichtun.
Hans zog an der Schlinge, die um den Hals des Paters lag, und lenkte diesen zum Tisch, wo er sich niedersetzen sollte. Er warf der Bäuerin, die noch immer von Christoffel belästigt wurde, mitfühlende Blicke zu. »Wenn Ihr wollt, dass ich euch etwas auftische, dann müsst Ihr mich schon loslassen, edler Herr«, sagte sie schnippisch. Christoffel ließ sie in der Tat verdutzt los; dann rieb er sich die Hände und meinte: »Mit der bekommen wir noch viel Spaß, glaubt es mir.«
Inzwischen war der Bauer wieder aufgestanden. Er hielt sich den Bauch und ächzte vor Schmerzen. Josef steckte sein Messer weg und sagte zu Gänschen: »Nimm den Knaben mit in den Stall und hol ein Schwein. Du weißt, was du zu tun hast, wenn er Schwierigkeiten macht.«
Gänschen nickte, ließ einen erschütternden Rülpser los und packte den Bauern an seinem blauen Kittel. »Na los, mein Bester«, raunte er. »Wir sollten gehen.« Er trieb den Bauern wie ein Stück Vieh durch die Tür. Hilarius sah, wie sie in dem kleinen Stall verschwanden. Christoffel hatte sich wieder der Frau zugewendet, und Josef, Hans, Hütlein, Pfäfflein und Spatzel setzten sich mit viel Lärm auf die Bank und die beiden Stühle. »Liebes Mägdlein«, flötete Pfäfflein, »du hast doch sicher irgendwo etwas zu trinken, das eines Gottesmannes würdig ist, nicht wahr?«
Hans hatte die Schlinge losgelassen, die um den Hals des Paters lag; er starrte die Bäuerin mit offenem Mund an. Jetzt war die beste Gelegenheit! Hilarius sah sich verstohlen um. Niemand beachtete ihn. Er saß auf einem der Stühle recht nahe bei der Tür. Er konnte es schaffen.
Die Bäuerin holte zwei irdene Krüge von einem Brett neben dem Kamin; während sie sich reckte, griff ihr Christoffel unter dem Gejohle der anderen von hinten an die Brüste. Sie tat so, als bemerke sie es nicht, und wand sich wie eine Schlange aus seinem Griff. Dann holte sie Bier in einer Kanne aus einem Holzfass, das nahe beim Eingang stand, und goss die beiden Becher voll. Josef und Pfäfflein tranken als Erste; danach kreisten die Becher. Hans grölte der Frau ein »Vergelt’s Gott« ins Gesicht. Sie drehte den Kopf zur Seite; vermutlich stank Hans wieder einmal schrecklich aus dem Hals.
Er warf ihr unter dem Gelächter der anderen eine Kusshand zu und machte dann eine obszöne Geste.
Der Augenblick war günstig. Hütlein und Spatzel tranken gerade, Hans war aufgestanden und befingerte die Bäuerin, und der Rest schaute geifernd zu. Hilarius sprang auf. Der Stuhl polterte zu Boden. Die Tür war so nah. Er rannte los.
Ein brennender Schmerz in seinem Hals. Sterne vor den Augen. Alles wurde rot. Die Zunge quoll zwischen seinen Lippen hervor. Er taumelte zurück, schlug schwer auf den Boden. Ein Stiefelabsatz auf seinem Mund. »Wohin denn, Mönchlein? Möchtest nicht den Abendschmaus abwarten?« Christoffel hatte geschwind wie der Wind das Ende der Schnur ergriffen, die noch immer um Hilarius’ Hals lag, hatte ihn daran brutal zurückgezogen und stand nun über ihm.
In diesem Augenblick kamen der Bauer und sein Bewacher Hans zurück. »Wo ist das Schwein?«, bellte Josef.
»Tatsächlich kein Schwein da«, meldete Hans mit einem Ausdruck größten Bedauerns. »Er hat leider die Wahrheit gesagt. Im Stall war rein gar nichts.«
»Wir können euch nur Gerstenbrei und Fladen anbieten«, meinte die Bäuerin. »Wenn ihr das nicht wollt, könnt ihr ja versuchen, unsere Else zu fressen.« Sie wies auf die magere Ziege. »Aber da wird euch wohl jeder Bissen im Halse stecken bleiben. Sie gibt nicht einmal mehr Milch.«
»Das wird euch teuer zu stehen kommen«, raunte Josef. »Also los, tischt auf, was ihr habt. Wir sind hungrig.«
Die Fladen waren beinahe steinhart und kaum zu kauen, und der Brei schmeckte nach gar nichts. Aber er beruhigte den Magen. Hilarius durfte zum Essen wieder vom Boden aufstehen und sich mit an den Tisch setzen. Jetzt aber ließ Hans die Schnur nicht mehr los.
»Wohin bringt ihr mich?«, fragte Hilarius noch einmal.
»Dorthin, wo du hingehörst«, antwortete Pfäfflein froh gelaunt. »Der Graf hat große Sehnsucht nach dir. Du bist ein wichtiger Mann. Wir werden dich ohne Umwege zu seiner Burg bringen – auf die Burg Grafenreuth. Er ist ein wenig ungehalten darüber, dass du uns beim ersten Mal entwischt bist – aber er wird dich vielleicht sogar leben lassen. Uns allen stehen große Zeiten bevor. Der schwarze Atem Gottes
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