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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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streifte es sich über und zog dann die schwarze Kutte an, die neben dem Hemd gelegen hatte. Schließlich band er sich das weiße Zingulum um. Nun erzählte Martin dem Gaukler von seinen schrecklichen Erlebnissen mit dem Zauberer und von der Flucht durch ein gewaltiges, unterirdisches Labyrinth. »Vielleicht hat sich Hilarius irgendwo in dessen Tiefen verirrt«, schloss er. »Wir müssen ihn unbedingt suchen.« Und er ging voraus.
     
    Maria hatte sich das unterirdische Gängesystem aufgrund der Schilderungen des jungen Mönchs weitaus größer vorgestellt. Vor allem jenen gewaltigen, bodenlosen Abgrund hätte sie gern mit eigenen Augen gesehen, doch Martin fand ihn nicht wieder. Nachdem sie einmal im Kreis gelaufen und erneut im Laboratorium angekommen waren, blieb Martin verwirrt stehen. Nun schien er etwas von seiner alten Unsicherheit wiederbekommen zu haben. Sein ratloses Gesicht warf im zuckenden Schein von Federlins Kerze seltsame Schatten. »Aber ich habe diesen Abgrund gesehen«, murmelte er, »und auch diese Gestalt …«
     
    »Welche Gestalt?«, fragte Federlin. Seine Stimme schnitt wie ein Messer in die dunkle, feuchte Stille.
     
    »Ach, ich weiß es selbst nicht mehr«, antwortete Martin ausweichend.
     
    »Welche Gestalt?«, fragte Federlin noch einmal. Es schien Maria, als erwarte er eine ganz bestimmte Antwort.
     
    »Lass mich in Ruhe! Es geht jetzt nicht um mich, sondern um Hilarius. Vielleicht haben wir einen Gang übersehen.« Martin lief wieder hinaus in die Eingeweide der Erde. Federlin warf Maria einen Blick zu, der ihr durch Mark und Bein ging. Hilflosigkeit lag darin, aber auch ein entsetzliches, unerträgliches Wissen. Er sagte nichts, sondern folgte Martin abermals. Und Maria lief hinter ihm her.
     
    Tatsächlich entdeckten sie einen Gang, den sie vorhin nicht bemerkt hatten; er zweigte zwischen den brüchigen Knochenhaufen ab und führte mitten durch sie hindurch. Die einsame Kerze in Federlins Hand zog aus den tiefen Augenhöhlen der Schädel klebrige Schatten hervor; sie krochen wie Gewürm über die fahlen Knochen, sprangen an die vor Feuchtigkeit glitzernden Wände, fielen von der Decke herab und liebkosten Maria mit ihren kalten Umarmungen. Sie drängte sich dichter an Federlin, presste sich an seinen Rücken – und spürte die Kälte, die durch sein Wams strömte. Er blieb kurz stehen und drehte sich nach ihr um. Sein rechtes, schwefelgelbes und sein linkes, grünes Auge schauten sie durchbohrend an. Sie wich vor ihm zurück. Da stahl sich ein ganz schwaches Lächeln auf seine schmalen Lippen. Schauer durchrieselten sie. Die Schädel überall um sie herum nahmen das Lächeln auf. Federlin wandte sich wieder nach vorn und lief hinter Martin her, der bereits in der Dunkelheit verschwunden war.
     
    Sie ließen das unterirdische Ossuarium hinter sich. Der Gang, der sich an es anschloss, war sehr eng; die Wände waren nur grob behauen, und auf dem Boden hatten sich tiefe Pfützen angesammelt. Maria hörte, wie vor ihr Füße durch das Wasser platschten; sie sah, wie das Flammenzünglein der Kerze durch die Finsternis tanzte. Immer wieder warf sie flüchtige Blicke hinter sich. Bewegte sich da nicht etwas? Huschte da nicht etwas hinter ihr her? Sie wünschte sich verzweifelt, sie wäre niemals in diese Unterwelt hinabgestiegen. War da nicht ein Zischeln und Tuscheln in der Luft? All die Geschichten über Hexen und Dämonen, die Hilarius ihr während ihrer gemeinsamen Flucht erzählt hatte … alles, woran sie schon so lange gezweifelt hatte, war über Nacht für sie wahr geworden.
     
    »Hier!«, ertönte Martins Stimme weit voraus. Maria lief schneller. Ein Luftschwall packte sie am Nacken. Sie schrie auf. Tastete mit der Hand hinter sich. Da war nichts. Der Luftzug wurde stärker. Das Licht vor ihr erhob sich plötzlich in die Luft – und verschwand! Sie sah eine Leiter in einer Entfernung von wenigen Ellen vor sich. Martin hatte einen weiteren Ausgang gefunden, war hochgestiegen, und Federlin war ihm mit seinem Licht gefolgt. Rasch kletterte auch Maria die Leiter hoch.
     
    Sie kroch in die rauschende und raunende Finsternis hinaus und sah sich erstaunt um. Hinter ihr lag der vage Umriss der Stadtmauer, innerhalb der sich die gefangenen Häuser in der Nacht verloren. Maria und die beiden Männer waren inmitten eines kleinen Wäldchens an die Oberfläche gekommen. Die Blätter raschelten leise im lauen Wind. Noch war der Sonnenaufgang nicht mehr als eine Hoffnung, aber weit im

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