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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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das Ding in der Luft schwebte, wurde es immer größer, bis es den Durchmesser eines Wagenrades erreicht hatte. Nun stieg es nicht mehr, sondern schwebte in einiger Entfernung über der Plane des Wagens. Der Mann mit dem Heiligenschein musste den Kopf weit vorstrecken, um die Kugel noch sehen zu können.
     
    Dann platzte sie auf.
     
    Aus ihr kamen – Bilder hervor. Ein kämpfendes Heer. Eine wunderschöne Frau. Ein Dämon mit schrecklichem Gesicht. Martin zuckte zusammen, als der Dämon sich zu ihm niederbeugte, doch ein Windstoß vertrieb ihn; er löste sich in Tausende schillernder Teilchen auf, die ins Nichts zerstoben. Dann ein Krokodil. Ein Nashorn. Und wieder eine Frau; diesmal hatte sie die Züge Marias. Martin durchfuhr es brennend. Wie schön sie doch war. Nun durfte er ihr Bild begehrlich ansehen, ohne dabei furchtbare Gewissensbisse zu haben, denn schließlich war es nur ein Bild.
     
    »Mach das weg!«, rief Maria aufgebracht. Federlin lachte, und plötzlich war der ganze Zauber verschwunden.
     
    »Halt! Haltet sofort an!«, rief der ältere Mann dem Wagenlenker zu. Inzwischen hatten auch die anderen Insassen des Wagens die Köpfe unter der Plane hervorgesteckt und den Rest von Federlins Darbietung mitbekommen. Sie machten große Augen, und der Mund stand ihnen vor Überraschung weit offen. Der Wagen hielt rumpelnd an. Der ältere Mann schlug das Rückteil der Plane hoch und lud die drei ein, einzusteigen. Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. Als Erster hüpfte Federlin mit einer Leichtigkeit, die seinem Namen alle Ehre machte, auf die Rückplanke. Dann folgte Maria, der er helfend die Hand reichte, und schließlich krabbelte Martin hoch, während sich der Wagen bereits wieder in Bewegung setzte.
     
    Das Innere des Gefährts war entsetzlich eng. Überall lagen Kostüme, Bohlen, Bretter, Dekorationen, bemalte Tafeln und vieles andere herum, dessen Zweck Martin nicht einmal erraten konnte. Es blieb nur wenig Platz für die Schauspieler selbst, und nun mussten sie noch enger zusammenrücken. Der ältere Mann mit der Heiligenscheinfrisur stellte sich als Franz Teuffel vor; er war der Führer dieser Truppe. Nacheinander stellte er den Neuankömmlingen seine Mitspieler vor. Martin war zwischen drei appetitlichen Frauen eingekeilt: Renata Glößler, die zumeist die Verführerin spielte, Walpurg Steinach, angeblich ihr sittsamer Gegenpart, wovon allerdings in ihrem Gehabe nichts zu spüren war, und Anna Hänin, die ein wenig älter als die beiden anderen war und manchmal den Part einer Hexe oder zänkischen Hausfrau übernahm. Sie zupften alle an der schwarzen, staubigen Kutte des Mönchs, und Anna meinte: »Ich wollte schon immer wissen, was diese Burschen darunter tragen.« Sie machte sich daran, den Stoff zu heben.
     
    Martin war die ganze Sache entsetzlich peinlich, und er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Die vier Männer grölten vor Lachen. Doch da griff Maria ein. Sie schlug die Hand der Anna Hänin fort und zischte: »Wenn du nachsiehst, kratz ich dir die frechen Augen aus!« Anna lachte auf. Ihre grünen Augen blitzten, doch sie ließ die Hand sinken. Rasch strich Martin seine Kutte wieder glatt.
     
    »Oho«, lachte die blonde Walpurg, »das Mönchlein ist schon vergeben!«
     
    »Ein Feinschmecker, der eleganten Gewandung unserer Maria nach zu urteilen«, kicherte Renata und strich sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. »Kommst du bei diesem schwarzen Hengst denn wenigstens auf deine Kosten, Kindchen? Oder ist er bei dir genauso zickig?« Sie schüttelte sich vor Lachen.
     
    Maria sagte nichts darauf, aber die Blicke, die sie den drei Frauen zuwarf, waren messerscharf. Die Männer waren stiller. Martin fragte sich, wie sie es mit solchen Weibsbildern aushielten. Sicherlich war jede jedermanns Liebchen. Er schüttelte sich. Schon oft hatte er seine Mitbrüder von der Sittenverderbnis unter den Schauspielern reden gehört, doch er hätte es niemals für möglich gehalten, dass er selbst einmal in einen solchen Sündenpfuhl geworfen würde.
     
    Immer wenn der Wagen in eine ausgefahrene Spur rutschte und schlingerte, fiel Martin gegen eine der Frauen. So geriet er in Kontakt mit schwellenden, nur unter dünnem Stoff verborgenen Brüsten, zarten Wangen, festen Armen und warmen Schenkeln. »Ha, jetzt stürzt er sich auf mich!«, kreischte Renata, als der Wagen einmal bedenklich kippte und Martin mit der Nase in ihrem Ausschnitt landete. Sofort packte Renata seinen Kopf und

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