Der schwarze Atem Gottes
drückte ihn noch enger an ihre schwach duftende Brust. Mit hochrotem Kopf machte sich Martin von ihr frei und warf Maria einen verzweifelten Blick zu, doch sie schüttelte nur wütend den Kopf. Offenbar glaubte sie, es mache ihm Spaß!
»… nach Grafenreuth«, sagte jemand. Federlin nahm den Faden auf und sagte: »Habt ihr schon einmal vor dem Grafen von Heilingen gespielt?«
»Nein«, antwortete der kleine, schmächtige Mann, der ihnen als Barthel Greusen vorgestellt worden war, vom Kutschbock herunter. Die Plane zwischen dem Bock und der Ladefläche war hochgerollt, sodass Barthel nichts von dem entging, was sich im Wagen ereignete. »Aber wir haben viel von seiner Kunstsinnigkeit gehört.«
Adam Desch, ein blendend aussehender junger Mann von höchstens zwanzig Jahren, der nach Teuffels Informationen den besten Liebhaber abgab, den er je auf der Bühne gesehen hatte, meinte dazu: »Wir haben von anderen Truppen gehört, dass der Graf anspruchsvolle Schauspiele schätzt. Er hat noch nie eine Theatertruppe fortgeschickt. Und immer hat er sie reich belohnt.«
»Was wisst ihr denn vom Grafen persönlich?«, mischte sich Martin ein, der froh war, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes als die geballte Weiblichkeit um sich herum lenken zu können.
»Nicht viel«, antwortete Teuffel und kratzte sich den kahlen Kopf über dem Heiligenschein. »Er soll unermesslich reich sein.«
»Und ein wenig unheimlich«, fügte Klaus Beyer hinzu, der Letzte im Bunde der Schauspieler. Dass er für die komischen Rollen zuständig war, zeigte sich an seiner Darstellung des Grafen. Er sprang auf, sog die Luft im Mund ein, sodass die Backen einfielen und seinem schmalen Gesicht eine noch größere Dürre und Knochigkeit verliehen, und sagte mit einer Stimme, die Martin genau kannte: »Das Ende der Welt ist nahe.« Doch da Klaus ein wenig schielte, war das Ergebnis seiner Schauspielerei eher umwerfend komisch als unheimlich.
»Woher kennst du seine Stimme?«, fragte Martin mit klopfendem Herzen. Genau so hatte sich der Graf angehört, als er Hilarius und seine beiden Mitbrüder in der Schenke zu Volkach aufgesucht hatte.
»Ich bin ihm ein einziges Mal begegnet«, sagte Klaus, wobei er nun Martins Stimme täuschend ähnlich nachahmte. Dann fuhr er in seiner eigenen Stimme fort: »Mir hat er nicht gefallen. Aber mein Herr und Meister« – er machte eine angedeutete Verbeugung in Teuffels Richtung – »ist der Meinung, dass Geld und Brot wichtiger sind als kleinliche persönliche Bedenken.«
»Er ist ein hoher, einflussreicher Herr, und ich habe nur Gutes über ihn gehört – jedenfalls, soweit es seine Liebe zur Kunst angeht«, verteidigte sich Franz Teuffel. »Wollt ihr bis zur Burg Grafenreuth mitfahren?«
»Allerdings«, sagte Federlin und warf Martin einen fragenden Blick zu. Martin nickte. Sie mussten die Geschichte erfahren. Also erzählte Federlin sie.
Als er geendet hatte, saßen alle Schauspieler mit offenem Mund da. Die Frauen hatten sogar vergessen, Martin zwischendurch zu necken.
»Wenn das so ist«, sagte Klaus Beyer leise und rieb sich erregt die große Nase, die wie ein Schürhaken aus seinem schmalen Gesicht hervorstand, »dann bin ich dafür, einen Bogen um dieses Schloss zu machen.«
»Kommt gar nicht infrage«, rief Martin erschrocken. »Wir müssen dorthin. Wir müssen Hilarius befreien.«
»Das ist eure Sache, nicht unsere«, gab ihm Adam Desch zu verstehen. »Ihr könnt gern wieder absteigen – obwohl es schade wäre, wenn wir auf Federlins Gaukelkünste verzichten müssten.«
Die drei Frauen nickten. »Nicht nur um diese Künste wäre es schade«, sagte Walpurg Steinach und zwinkerte anzüglich. »Aber was haben wir mit eurem Pater zu schaffen? Wenn schon der junge so spröde ist, kann man aus dem alten wohl wahrlich kein einziges Tröpfchen Lebensfreude mehr herauspressen.« Die drei jungen Frauen lachten herzhaft.
»Es wäre wohl ein spannendes Abenteuer«, meinte Barthel Greusen vom Kutschbock herunter und lächelte Martin aufmunternd zu.
Martin war überrascht. Gerade von diesem stillen, schmächtigen Gesellen hätte er die größte Hasenfüßigkeit erwartet. Er erwiderte das Lächeln dankbar.
Nun mischte sich Franz Teuffel mit der Autorität seiner Führerschaft ein. »Es kann keine Rede davon sein, dass wir nicht zum Grafen von Heilingen reisen«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch zuließ. »Andere Truppen
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