Der schwarze Atem Gottes
haben unser Kommen bereits angekündigt, und wir werden der künstlerische Höhepunkt dieses Jahres sein. Der Graf wird sich schon auf uns freuen, auch wenn er uns noch nicht kennt. Wir werden vor ihm spielen. Was ihr macht« – er schaute nacheinander Federlin, Martin und Maria streng an –, »ist mir egal, solange ihr nicht unsere Aufführung stört und den Grafen verärgert, bevor er uns – hoffentlich reichlich – entlohnt hat. Aber erwartet nicht, dass wir euch bei eurer Unternehmung helfen! Ist das klar?«
Federlin und Martin nickten. Maria aber sah ihn geradeheraus an und sagte: »Ich hatte sowieso keinen Mut von jemandem wie Euch erwartet.«
Adam pfiff anerkennend, und Klaus klatschte in die Hände. »Endlich mal eine mutige Person«, kicherte er.
»Wenn du deine Faxen nicht allein für dich in irgendeinem elenden, im Morast versinkenden Dorf machen willst, dann halte jetzt den Mund«, giftete Franz Teuffel ihn an. Klaus verdrehte die Augen noch mehr, setzte ein schuldbewusstes Gesicht auf und verkündete im Ton schleimiger Unterwürfigkeit: »Alles, was mein hoher Herr und Gebieter wünscht.« Weitere Lachsalven der Schauspielerinnen waren die Folge.
Martin sah, dass sich das kugelrunde Gesicht des Theaterleiters immer stärker verfärbte. »Wir sind schon zufrieden, wenn wir bis Burg Grafenreuth mitreisen dürfen«, sagte er rasch. »Was wir dort tun werden, ist allein unsere Sache, und ich verspreche Euch, dass wir uns nicht in eure Angelegenheiten mischen werden.«
Federlin nickte ihm zu. »Bis wir dort sind, wollen wir nicht mehr auf dieses Thema zu sprechen kommen. Einverstanden?«
Teuffel sah ihn finster an, doch schließlich sagte er: »Na gut. Ihr könnt bei uns bleiben, wenn ihr uns bei unserer Aufführung in Bayreuth helft.«
»In Bayreuth?«, fragte Federlin scharf und beugte sich so weit vor, bis er in Reichweite des Theaterleiters war. Martin fürchtete schon, der Gaukler werde ihn verprügeln. »Burg Grafenreuth liegt weit hinter Bayreuth, schon fast im Böhmerland. Wir werden euch auf der Rückreise wahrscheinlich nicht mehr begleiten.«
»Wer redet denn hier von der Rückreise?«, meinte Teuffel grinsend.
»Soll das heißen, dass ihr nicht auf direktem Weg zur Burg des Grafen fahrt?«, fragte Martin nervös.
»Nein, das heißt es nicht«, antwortete Teuffel. »Bayreuth liegt direkt auf dem Weg. Und es kann nicht schaden, wenn wir uns vor unserem großen Auftritt warm spielen. Außerdem können wir das Geld sehr gut gebrauchen , denn wir sind so abgebrannt, dass wir uns nichts mehr zu essen kaufen können. Das würde auch euch treffen. Also reg dich nicht auf, mein lieber Mönch. Sieh es als Gottes Fügung an. An meiner Entscheidung lässt sich sowieso nicht mehr rütteln.«
Und so hielten sie am späten Nachmittag tatsächlich in Bayreuth an. Sie fuhren vor die trutzige Stadtkirche, die mit ihren beiden Türmen das Bild der Stadt weithin beherrschte. Es war vereinbart worden, dass Federlin zusammen mit Klaus Beyer den Ausrufer machen, also durch die Gassen ziehen und kräftig Werbung für die abendliche Aufführung machen sollte. Auf Martins Frage, welches Stück denn gegeben wurde, antwortete Teuffel: »Das Spiel vom Antichrist.«
Der Antichrist! Wie er Martin verfolgte! All das Dunkle, Bedrohliche der letzten Tage stürmte wieder auf ihn ein. Reisten sie wirklich dem Ende der Welt, der Apokalypse, entgegen? Welche Rolle spielte der Graf? Und vor allem: Welche Rolle spielte Pater Hilarius? Er sah mit seinem zweiten, auf dem Bauch sitzenden Kopf aus wie einer der furchtbarsten Dämonen, die man sich vorstellen konnte. War er tatsächlich ein Handlanger des Teufels – oder war er das Gegenteil? Was er auch sein mochte – er war eine Monstrosität, der Martin am liebsten nie mehr begegnen würde. Aber hatte er nicht von seinem Doppelgänger in jenem schrecklichen, unbegreiflichen Labyrinth erfahren, dass Hilarius unentbehrlich war? Unentbehrlich zum Guten oder zum Bösen? War der Doppelgänger selbst gut oder böse gewesen? Hatte er überhaupt existiert? Und wenn ja, was war Martin? Wer war er? War er noch er selbst, oder war er zu diesem Doppelgänger geworden? Er stützte den Kopf in die Hände und saß versonnen da, während die Frauen sich eng an ihm vorbeidrückten, nicht ohne ihm freche und belustigte Blicke zuzuwerfen. Schließlich stieg auch er aus und ging auf die imposante gotische Kirche zu.
Als er sie
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