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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Wäldchen auf, durch das sie kurz zuvor geschritten waren. Nein, das war kein Adliger mit seiner Gefolgschaft und auch keine bischöfliche Delegation. Das war ein verlotterter, bunter Haufen mit einem wackligen Planwagen und zwei Schindmähren, doch er kam schnell näher.
     
    »Das sieht mir ganz nach deiner Verwandtschaft aus«, sagte Martin zu dem Gaukler und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
     
    »Meiner Treu, ich glaube, du hast recht. Das ist fahrendes Volk. Etwas Besseres hätte uns gar nicht passieren können. Vielleicht dürfen wir mit ihnen mitreisen. Das wäre immer noch schneller als ein Fußmarsch.«
     
    »Wenn sie in die richtige Richtung unterwegs sind«, gab Maria zu bedenken.
     
    »Allerdings«, sagte der Gaukler. »Aber das lässt sich leicht herausfinden.«
     
    Es dauerte nicht lange, und der Tross hatte zu ihnen aufgeschlossen. Federlin stellte sich in die Mitte des Weges und ruderte mit den Armen. Der Wagen kam mit ächzenden und knirschenden Geräuschen zum Stillstand; der Fahrer, ein kleiner und schmächtiger Mann, sah Federlin fragend und unsicher an. Hinter der Plane schaute der rundliche, rotwangige Kopf eines älteren Mannes hervor. Schütteres, graues Haar, das wirr in alle Richtungen abstand, umgab die glänzende Kopfkugel wie ein Heiligenschein. »Was gibt es?«, rief er mit einer durchdringenden Stimme. »Sind das etwa Räuber? Wir haben nichts, sind nur arme Schauspieler, die nichts besitzen als ihr kümmerliches Leben und ihre armseligen Kostüme!« Seine Worte klangen in der Tat so übertrieben und theatralisch wie die eines Schauspielers – eines schlechten Schauspielers.
     
    »Nein, nein«, beschwichtigte Federlin ihn und trat an ihn heran. »Wir sind nur mindestens genauso arme Reisende, die nach einer Gelegenheit suchen, etwas schneller vorwärtszukommen. Sagt mir, wohin wird eure Reise führen?«
     
    Der ältere Mann beäugte Federlin eingehend und rümpfte dann die Nase, als wolle er damit zum Ausdruck bringen, dass er etwas viel Besseres sei als ein schäbiger Gaukler, als den er Federlin offensichtlich identifiziert hatte. »Was geht es dich an, welches Ziel wir in der weiten Welt der Kunst ansteuern, Spießbube? Wir haben weder Zeit noch Platz, um Fremde mitzunehmen. Die Kunst ruft uns, und wir müssen ihrem Ruf geschwinde folgen. Also lasst uns durch.«
     
    »Wir wollten euch und euren Tatendrang nicht aufhalten«, sagte Federlin und zückte mit gespielter Ehrerbietigkeit seine Mütze. Es sah ungeheuer komisch aus. Maria, die sich neben ihn gestellt hatte, musste lachen.
     
    »Lacht nicht, Jungfer!«, erboste sich der alte Mann und beugte sich ihr entgegen. »Mag er auch nicht viel vorstellen in der Welt der Kunst, so weiß er doch, was sich gehört. Und jetzt macht Platz. Auch du, Mönch. Wo wir hinfahren, hat man nicht viel übrig für Pfaffen.«
     
    »Ach ja?«, meinte Martin unbeeindruckt. »Das muss aber ein gottverlassener Ort sein. Wie heißt er denn?«
     
    »Warum soll ich’s dir nicht verraten?«, sagte der ältere Mann und lehnte sich noch weiter aus dem Wagen, damit er einen ungehinderten Blick auf Martin hatte, der noch vorn bei den Pferden stand. »Wenn wir euch schon nicht mitnehmen, kann’s mir auch egal sein, ob ihr wisst, wohin uns unsere Muse ruft. Zur Burg Grafenreuth, zum kunstsinnigen Grafen von Heilingen.« Er kratzte sich den kahlen Kopf oberhalb des grauen, struppigen Haarkranzes. »Weiter geht’s!«
     
    Der Fahrer knallte mit den Zügeln, und der Wagen setzte sich knarrend in Bewegung.
     
        
     

14. Kapitel
     
    Martin lief mit geraffter Kutte neben dem anfahrenden Wagen her. »So nehmt uns doch mit!«, rief und bettelte er. »Euer Schaden soll es nicht sein.«
     
    Der ältere Mann sah den Mönch verwundert an. »Was könnt ihr uns Künstlern schon bieten?«
     
    Nun lief auch Federlin neben dem Wagen her. »Attraktionen, mein Herr. Absonderlichkeiten, mit denen ihr die Aufmerksamkeit der Leute erregen könnt.«
     
    »Was für armselige Attraktionen könnt ihr schon haben.« Der Mann lachte; sein Haarkranz, der ihm wie ein Heiligenschein um den Kopf lag, zuckte auf und ab.
     
    Federlin zog im Laufen seinen Ranzen auf den Bauch und wühlte darin herum. »Abgesehen von der einzigartigen Musik, die ich mache«, keuchte er, »kann ich zum Beispiel noch mit Folgendem dienen.« Er warf etwas in die Höhe, das Martin nicht recht erkennen konnte; es sah aus wie ein Kinderkopf, dann wieder wie ein riesiger Pilz. Während

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