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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Töne.« Das war etwas, das man durchaus auf Schauspielerinnen anwenden konnte. Er stöhnte auf. Anna streifte mit der Hand kurz über seine Steife, und er betete noch schneller. »Schon-viele-stürzten-ins-Verderben-wegen-einer-Frau-und-sie-verbrennt-wie-Feuer-ihre-Freunde-…«
     
    Er war heilfroh, als die Frauen von ihm abließen und er endlich in seinen neuen Kleidern steckte, die aus dem Theaterfundus stammten. Sie waren schrecklich bunt: eine blaue Pluderhose, ein gelbes Hemd, ein rotes Wams mit grünen Schlitzen und dazu ein weißer Spitzenkragen. Eine violette Mütze setzte seiner Verkleidung die Krone auf. Abscheulich! Wie konnte er sein mönchisches Dasein nur so schnöde verraten! Doch er beruhigte sich damit, dass es ja nur geschah, um Hilarius zu retten. Er regte sich in seinen neuen, ungewohnten Kleidern und fand, dass sie zumindest angenehmer als seine oft kratzende Kutte waren.
Der Herr vergebe mir diesen bösen Gedanken,
dachte er.
     
    Der Wagen fuhr wieder an, und Martin warf einen Blick am Kutschbock vorbei auf die Burg.
     
    Sie hockte wie ein Dämon auf dem Bergrücken.
     
    Wie ein wartender Dämon.
     
        
     

16. Kapitel
     
    »Ich hoffe, Ihr hattet eine angenehme Reise?« Das schmale, knochige Gesicht des Grafen Albert von Heilingen verzog sich zu einer bizarren Maske, die Freundlichkeit ausstrahlen sollte, in Wirklichkeit aber aus nichts als Bosheit bestand.
     
    Pater Hilarius wurde von Josef und Hütlein vor das Portal des Hauptgebäudes geschleppt, auf dessen kleiner Treppe der Graf seinen Gast mit ausgebreiteten Armen willkommen hieß. Die beiden Mordbuben ließen Hilarius los, blieben aber dicht hinter ihm, damit er keine Dummheit beging.
     
    »Eine Reise mit solchen Spießbuben kann man wohl schwerlich als angenehm bezeichnen«, giftete der Pater.
     
    »Sie haben Euch doch wohl anständig behandelt, wie ich es ihnen aufgetragen habe?«, wollte der Graf wissen.
     
    »Keineswegs! Sie haben gemordet und vergewaltigt, und sie haben auch mich selbst misshandelt.«
     
    »Das ist ja entsetzlich!« Der Graf schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. »Josef, was soll das heißen?«
     
    Der Anführer der Bande trat einen Schritt vor und sagte verlegen wie ein ertappter Junge: »Wir haben das getan, was nötig war, um den Auftrag auszuführen, Meister.«
     
    »Nun, wir werden uns später darüber unterhalten. Bringt die Pferde in die Stallungen und zieht euch zurück. Ich werde beizeiten zu euch kommen und diese schweren Vorwürfe untersuchen.«
     
    Die Bande entfernte sich sofort; Hilarius drehte sich kurz um und sah, wie sie mit gesenktem Kopf davonschlichen. Doch ihn konnten sie über ihre wahre Natur nicht täuschen.
     
    Albert von Heilingen streckte die Hände aus und hielt sie Hilarius entgegen. Der Pater ergriff sie nicht. Schließlich zog der Graf sie wieder zurück und sagte: »Es freut mich, dass wir das in Volkach begonnene Gespräch nun ungestört und in aller Ruhe fortsetzen können. Ihr werdet sehen, ehrwürdiger Hilarius, dass das, was ich Euch zu sagen habe, überaus wichtig ist, und ich möchte Euch bereits im Voraus versichern, dass ich nur die lautersten Absichten habe.« Er geleitete den Pater in das Innere der Burg.
     
    Hilarius war noch nie zuvor auf einem Adelssitz gewesen, und er hatte sich den Luxus, der in einer solchen Behausung herrschte, noch grandioser vorgestellt. Natürlich, es gab Gobelins an den Wänden und reich geschnitzte Truhen und sogar einige wuchtige Stollenschränke, aber insgesamt war er doch enttäuscht. Außer den Wandteppichen befanden sich keinerlei Kunstwerke hier, die Möblierung war spärlich, es zog durch die undichten Fenster, die jedoch allesamt verglast waren, und die Kamine waren so rußgeschwärzt, dass man ihre ursprünglich feinen Verzierungen kaum mehr erkennen konnte. Überall liefen Leute umher, deren Funktionen Hilarius nicht einmal erraten konnte. Was ihn am meisten entsetzte, war der Umstand, dass hier alles so normal wirkte. Er hatte den glänzenden Hofstaat eines Oberteufels erwartet; stattdessen war er in den wenig aufsehenerregenden Haushalt eines gewöhnlichen Adligen geraten. Nur der Speisesaal, zu dem ihn der Graf durch eine weite Flucht fest gemauerter Gemache führte, erschien dem Pater außergewöhnlich.
     
    In der Mitte stand eine lange Tafel, die dem Refektoriumstisch im Kloster Eberberg nicht unähnlich sah; doch sie war breiter, sodass man an beiden Seiten sitzen und schmausen konnte und nicht nur

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