Der schwarze Atem Gottes
das war er nicht. Sein Bauch … Er hing schlaff und leblos, so wie früher. Keine fremden Gedanken drangen in das Bewusstsein des Paters. Kein fremder Blick lag hinter seinem eigenen Blick.
Der Graf stand auf. »Wenn ich Euch nun in ein anderes, gemütlicheres Gemach führen dürfte …«
Hilarius erhob sich ebenfalls. Er wankte. Es war zu viel Wein gewesen; das vertrug er nicht. Einer der Mohren sprang herbei und stützte ihn. Die Berührung war so leicht wie der Kuss eines Engels, doch der Mohr knickte nicht ein, als Hilarius sein ganzes Gewicht auf ihn verlagerte. Schon bald aber konnte der Pater ohne fremde Hilfe stehen. Der Speisesaal drehte sich nur leicht. Mit tänzelnden Schritten folgte er dem Grafen in einen angrenzenden Raum, in dem ein anheimelndes Feuer brannte. Zwei Armlehnstühle mit lederner Polsterung standen vor dem Kamin. Der Graf hieß seinen Gast, in einem davon Platz zu nehmen; er selbst setzte sich in den anderen.
Hilarius ließ seine Blicke durch den Raum schweifen. Zwei weitere Stühle standen an der Wand, weiterhin eine hohe Truhe und ein Betpult mit einem kleinen, zugeklappten Gebetbuch darauf. Über der Truhe hing ein großer Gobelin, dessen Muster Hilarius im Zwielicht des Raumes nicht deutlich erkennen konnte. Während des Essens war es dunkel geworden, und durch die drei kleinen Butzenglasfenster des Gemachs drang kein Licht mehr herein. Die einzige Beleuchtung war das Feuer im Kamin.
Dieser Gobelin … Hilarius hatte den Eindruck, als habe er ihn – oder ein ähnliches Muster – schon einmal gesehen. Aber wo? Dann fiel es ihm wieder ein: in dem Haus des Zauberers Laurenz Hollmann in Burgebrach! Diese Darstellung des gehörnten Teufels und die »666«! Oder spielte ihm das zuckende Licht aus dem Kamin bloß einen Streich?
»Nun ist es Zeit für einige Erklärungen«, sagte Graf Albert und unterbrach Hilarius’ Überlegungen. »Ihr wollt sicherlich wissen, warum ich so große Anstrengungen unternommen habe, um Euch herzubringen. Es tut mir sehr leid, dass unser kurzes Gespräch in Volkach ein so unbefriedigendes Ende genommen hat, doch Ihr ließet mich ja damals nicht einmal ausreden.«
»Weil es nichts zu reden gab«, brummte Hilarius. Damals hatte ihn der Graf aufgefordert, ihm behilflich zu sein, ohne den Grund für diese Aufforderung zu nennen. Hilarius hatte sofort gespürt, dass der Graf mit dem Bösen im Bunde war, und sich gegen ihn gewandt. Was dann geschehen war, wusste er bis heute nicht; er war in Bruder Martins Armen aus einer tiefen Ohnmacht erwacht.
»Ihr habt eine völlig falsche Meinung von mir«, sagte der Graf und schlug die Beine übereinander. Er ergriff einen Schürhaken, der in Reichweite seines Stuhls lehnte, und stocherte damit im Feuer herum. »Schon damals wolltet Ihr mir nicht zuhören. Leider musste ich erkennen, dass für ein eingehendes Gespräch in jenem Wirtshaus keine Möglichkeit bestand. Also habe ich Euch herbringen lassen. Und nun werden wir miteinander reden.«
»Ich rede nicht mit dem Abgesandten Satans.«
»Aber Ihr nehmt seine Gastfreundschaft und seine Speisen an. Das ist nicht folgerichtig, Pater, und es ist sehr beleidigend.« Albert von Heilingen schürte das Feuer noch heftiger.
»Ihr leugnet also nicht, dass Ihr des Satans seid!«, rief Hilarius triumphierend.
»Selbstverständlich leugne ich das. Ihr begreift gar nichts. Ihr habt Eure armselige Religion, die mit dem wahren Glauben nicht viel zu tun hat, und bildet Euch nach ihr Euer noch armseligeres Weltbild. Ihr presst das Leben in eine Schablone, die so schief und krumm ist, dass nicht einmal ein Engel hineinpassen würde.«
»Ich dachte mir schon, dass Ihr ein Ketzer seid. Was sollte der Satan sonst sein?«
»Nicht ich bin der Ketzer; Ihr seid es. Aber es wäre einfacher für uns beide, wenn Ihr mir endlich einmal zuhören würdet.«
Die Auswirkungen des Weins hatten noch nicht nachgelassen. Die Schatten in dem hohen Zimmer formten sich zu teuflischen Fratzen, und der Gobelin schien sich zu bewegen. Der Teufel, der in ihm verwoben war, regte sich, hielt die Schale mit den drei Zahlen hoch und grinste. Hilarius murmelte das Vaterunser.
»Ihr dürft hier so viel beten, wie Ihr wollt«, sagte der Graf lächelnd und nahm den Schürhaken aus dem Feuer. Seine Spitze glühte rot auf. »Ich bete selbst gern und oft zu Gott.«
»Haltet Eure Zunge im Zaum!«
»Lassen wir das Spiel. Es geht um zu vieles. Wie
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