Der schwarze Atem Gottes
geht es dich an? Soll sie doch tun, was sie will. Du hast ein Gelübde abgelegt, das dich ein Leben lang bindet. Hast du das etwa schon vergessen?
Wie schön sie doch im warmen Schein des Lagerfeuers war. Sie sah ihn an. Lächelte scheu. Es packte ihn; er vergaß sich. Er konnte es nicht verhindern und murmelte: »Der Bug deiner Hüften gleicht einem Geschmeide, einem Werk von Künstlerhänden. Dein Schoß ist ein rundes Becken, es mangle ihm nie der gewürzte Wein! Dein Leib ist ein Weizenhaufen, von Lilien umhegt. Deine beiden Brüste sind wie zwei Kitzlein, wie Zwillinge einer Ricke. Dein Hals ist wie ein Elfenbeinturm, deine Augen wie die Teiche von Hesbon am Tor von BatRabbim, deine Nase wie der Libanonturm, der gegen Damaskus schaut. Dein Haupt über dir ist wie der Karmel, deines Hauptes Geflecht gleicht Königspurpur, gebunden in Zöpfen. Wie bist du so schön und so lieblich, o Liebe in Wonnen. Deine Gestalt ist der Palme gleich, deine Brüste sind wie Trauben.«
»Was hast du gesagt?«, fragte Maria verwundert.
Wozu hatte er sich da bloß hinreißen lassen! Es war, als wache er aus einem schönen Traum auf. Feuer brannte auf seinen Wangen. »Ach, das war nur ein Bibeltext«, sagte er abwiegelnd. Jetzt hörte er heftiges Stöhnen aus dem Wagen dringen, in dem Renata mit Federlin verschwunden war. Auch hinter dem Wagen keuchte es. Martin lief es heiß und kalt über den Rücken.
»Verdammtes Pack«, brummelte Teuffel. »Müssen mindestens jede zweite Nacht ihre Natur befriedigen. Na, Klaus, diesmal hast du wohl gegen unsere Neuerwerbung den Kürzeren gezogen.« Es war ihm deutlich anzusehen, dass ihn das sehr freute. Wahrscheinlich war der glatzköpfige Mann bei den Frauen seiner Truppe nicht sonderlich beliebt, was das Geschlechtliche anlangte. Nun hatte er wenigstens einmal einen Leidensgenossen. Klaus stand ohne ein Wort auf und ging in entgegengesetzter Richtung des Stöhnens in den Wald hinein. Dann erhob sich auch Teuffel, brummte Martin und Maria zu: »Vergesst nicht, das Feuer auszumachen, wenn ihr euch schlafen legt«, und lagerte sich in einiger Entfernung unter einem ausladenden Baum, dessen gewaltiges Blätterdach ein Teil der Nacht selbst zu sein schien.
»Ein Bibeltext?«, fragte Maria. Martin sah ihr an, dass das immer lauter werdende Keuchen auch ihr unangenehm war.
Nanu,
dachte er,
ist sie auf einmal prüde geworden?
Sofort stand ihm wieder das Bild der auf allen vieren kauernden Maria vor Augen, die Suitbertus frech und auffordernd das Hinterteil entgegengereckt hatte.
»Aus dem Hohen Lied der Liebe«, antwortete Martin und räusperte sich, doch der Kloß in seinem Hals wollte nicht verschwinden. »Ich habe es früher einmal auswendig gelernt, weil … weil es so wunderschön die Liebe … die Liebe Gottes zu seinem Volk beschreibt.«
»Die Liebe Gottes zu seinem Volk?« Maria sah ihn durchdringend an.
»Ja natürlich. Was dachtest du denn?« Er räusperte sich erneut. Wie hatte er sich nur zu einer so unsinnigen Rezitation hinreißen lassen können? Ein heller Schrei gellte aus dem Wagen, dann war alles ruhig in ihm. Auch die anderen Paare kamen langsam zum Ende.
Ob es wirklich so schön ist, wie immer behauptet wird?,
fragte sich Martin unwillkürlich.
Aber was geht mich das an?
Er löschte das Feuer, warf vorher noch einen letzten Blick auf Maria, die im Schein der Glut zu leuchten schien – wie ein Engel. Ihr Blick war so sanft. Fast konnte man vergessen, was für ein verwildertes Leben sie geführt hatte. Aber schließlich hatten sie nur die Umstände dazu gezwungen, sagte Martin zu sich selbst. Er bettete sich in das weiche Gras vor einem etwas entfernt stehenden Baum und schlief sofort ein.
Früh am nächsten Morgen weckte Federlin die Truppe, und schon bald rumpelte der Wagen weiter über die ausgefurchte Landstraße, vorbei an wiegenden Feldern, an grünen Wiesen, auf denen Schafe und schwarzweiße Kühe weideten; gegen Mittag überquerte die Truppe ein kleines Bächlein auf einer festen Holzbrücke, und schließlich wurde die Landschaft hügelig , ja bald war sie beinahe schroff. Felsen drängten sich durch die Grasmatten; die Straße wurde immer steiniger, und der Wagen schaukelte immer heftiger. Der Weg tauchte in einen düsteren Tannenwald ein, dessen weit auseinanderstehende Stämme wie die Pfeiler einer gewaltigen Kathedrale anmuteten. Und die dunkelgrünen Kronen waren das Gewölbe dieses wundervollen Domes, dessen
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