Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
Vom Netzwerk:
öffnete er die Augen wieder und sagte: »Gib mir den Schlüsselbund.«
     
    Renata zog einen Schmollmund und ließ den Bund in seine geöffnete Hand fallen.
     
    »Das Spiel vom Antichrist ist bald aus. Geh und zieh dich an. Es darf dich niemand hier finden.« Er war erstaunt, als sie ihm tatsächlich gehorchte. Nachdem er einen letzten Blick auf ihren festen Hintern geworfen hatte, während sie zurück in die Schlafkammer des Grafen ging, wandte er sich ab und suchte den Pater.
     
      
    Die Burg war ein Labyrinth, und Martin hatte keine Ahnung mehr, wo er Hilarius am Nachmittag zuvor gefunden hatte. Alles sah so gleich aus. Er traf auf wenige Menschen; niemand beachtete ihn. In manchen Kammern und Gemächern brannte ein Kaminfeuer, in manchen anderen waren Pechfackeln entzündet worden. Ein gleichmäßiges rotes Licht durchfloss das Innere des Gebäudes. Inzwischen befand sich Martin nicht länger an der dem Hof zugewandten Seite der Burg, und der Mond war durch kein Fenster mehr sichtbar. In den kleinen, bleigefassten Scheiben sah er nichts und niemanden außer sich selbst, wie er mit vor Angst glänzenden Augen durch die gewaltige Burg hastete.
     
    Dann endlich glaubte er einen Gang wiederzuerkennen, an dem Türen wie zu Verlieszellen abzweigten. Er horchte an jeder dieser Türen, aber hinter keiner drang auch nur der geringste Laut hervor. War es wirklich der richtige Gang? Er lief weiter, lief um Biegungen und Ecken, lief in Treppentürmen hoch und hinunter, lief, lief, lief. Inzwischen musste die Vorführung längst beendet sein, und die Mägde, Knappen und Diener würden bald wieder in diesen labyrinthischen Bienenkorb zurückschwärmen. Dann war die Gefahr sehr groß, dass Hilarius’ Flucht vereitelt wurde.
     
    Mit klopfendem Herzen raste Martin zurück zu dem Gang, den er wiedererkannt zu haben glaubte. Es blieb ihm nichts anderes übrig; er drückte die Klinke der ersten Tür herunter.
     
    Die Tür war nicht verschlossen. Schwärze lagerte hinter ihr; eine Schwärze, die seltsam stofflich wirkte. Glommen da nicht blinkende Augen von hoch oben unter der Decke auf Martin herab? »Hilarius?«, flüsterte er. Er erhielt eine Antwort.
     
    Aber sie kam nicht von dem alten, rätselhaften Pater.
     
    Es war ein Blubbern wie durch Schleim und Auswurf. Es versuchte, Worte zu formen, doch bevor Martin etwas verstehen konnte, hatte er die Tür bereits wieder zugeschlagen.
     
    Hinter der nächsten Tür entdeckte er ein hell erleuchtetes Gemach, in dem sich jedoch niemand aufhielt. Das Licht der Fackeln wurde von großen Spiegeln zurückgeworfen und machte den Raum taghell. Er war vollkommen kahl, doch auf dem Boden befand sich ein in roter Farbe gemalter magischer Kreis, in den hebräische und lateinische Buchstaben eingearbeitet waren. Martin trat verwundert einen Schritt heran und versuchte, die Inschriften zu lesen. Die Buchstaben ergaben keinen Sinn für ihn. Aber sie bewiesen, dass sich der Graf mit den Schwarzen Künsten eingelassen hatte.
     
    Aus der Mitte des Kreises erhob sich plötzlich ein kalter Luftzug; Martin sah gebannt, wie Staub aufgewirbelt und zu einer winzigen Windhose zusammengetrieben wurde. Der grauweiße Schlauch fuhr über die Innenseite des Kreises und versuchte offenbar, diesen zu verlassen, was ihm aber nicht gelang. Was für ein Teufelswerk war das? Martin schlug hastig das Kreuz und murmelte das Vaterunser, doch das schien die Windhose nicht zu beeindrucken. Er hörte, wie ein Zischen von ihr ausging, und lief rasch wieder auf den Gang.
     
    Schritte!
     
    Sie kamen näher, wurden noch von der Biegung hinten in der schattenverklebten Ferne gedämpft. Hektisch rüttelte Martin an der nächsten Tür. Sie war verschlossen. Sollte er zurück zu dem Zauberkreis laufen? Oder zurück zu der blubbernden, glimmenden Schwärze? Erregt nestelte er an dem Schlüsselbund herum, den er wie eine magische Waffe in der Hand hielt, und rammte einen großen Schlüssel nach dem anderen in das Schloss.
     
    Die Schritte mussten von Stiefeln herrühren, und überdies war nun ein regelmäßiges Klacken zu hören, als ob sich jemand bei seinem Marsch auf einen schweren Stab oder eine Hellebarde stützte.
     
    Endlich: Der nächste Schlüssel passte. Martin drückte die quietschende Tür auf, hastete in die Schwärze hinein, schlug die Tür hinter sich zu und horchte.
     
    Die Schritte mussten inzwischen in den Gang eingebogen sein; sie waren entsetzlich laut und nahe, und auch das eigenartige Klacken war

Weitere Kostenlose Bücher