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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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Schreibtisch schleuderte und sich auf ihren Drehstuhl haute. Ihr Büro war größer als die Durchschnittsschachtel. Es war vollgepackt mit Magazinen und Memos und Manuskripten. Cheryl war bis zur Halskrause in Schwarz gezwängt. Sie sah richtig gut aus mit ihren Altjungferntitten. Alex trug seine Standardkluft: 501 und weißes T-Shirt. Ich trug einen schicken geblümten Rock von Betsey Johnson und mein Spitzentop.
    Ich sagte: »Wann ziehst du in Belles Büro um? Brauchst du Hilfe?«
    Sie sagte: »Kümmere dich um deinen eigenen Kram.« Alex stieß mich in die Rippen und zeigte den Flur runter. Herb kam uns entgegen. Alex ging zu ihm hin, um ihn aufzuhalten.
    Ich ging in Cheryls Büro und setzte mich ihr gegenüber. Ihr Haar war straff nach hinten gerafft, wie bei der Prinzessin von Kleve. Kurtisanen im sechzehnten Jahrhundert sollen gelegentlich daran gestorben sein, daß sie sich die Haare zu straff banden (das hatte ich aus meinem Kuriositäten-Almanach). Cheryl gab sich alle Mühe, mich zu ignorieren; sie hackte wütend auf ihre Tastatur ein. Es sah so aus, als schriebe sie ein Memo für das Personal über die bevorstehenden Veränderungen beim Magazin. Ich sagte: »Cheryl, warum kannst du mich nicht leiden?«
    Sie hörte auf zu tippen. Ihr Blick hätte Milch zum Gerinnen gebracht. Sie keifte: »Dir fällt wohl alles in den Schoß, was? Ich werde nicht einen Finger krümmen, um dir zu dem Geld zu verhelfen.« Cheryl mußte über den Ausgang der Testamentsverlesung informiert worden sein. Sie wandte sich wieder dem Spiel auf ihrem PC-Keyboard zu.
    Ich zog meinen Stenoblock heraus. »Was passierte, als Belle an dem Tag, als sie umgebracht wurde, vom Lunch zurückkam?« fragte ich streng.
    »Mein Gott, hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
    Ich ließ den Block in meinen Schoß fallen — plop. Ich sagte: »Du solltest mich mögen, Cheryl. Ich bin literarisch gebildet. Ich bin ein modisches Mädchen.« Cheryl schnitt eine Grimasse. Ich nahm einen Stapel von den Papieren auf ihrem Tisch. Ein paar davon waren Briefe, die an Belle adressiert waren. Sie hörte auf zu tippen. Ich sagte: »Was ist das denn? Du stöberst Belles Post durch?«
    Sie blaffte: »Ich habe Anweisung, ihren Schreibtisch auszumisten!«
    »Anweisung? Von wem?«
    »Gib mir sofort die Briefe zurück.« Sie langte nach dem Stapel, und ich lehnte mich zurück.
    Ich sagte: »Nicht so hastig.« Ich blätterte die Papiere schnell durch. Einer der ersten Briefe, die ich sah, erweckte meine Aufmerksamkeit.
    Ich las ihn laut vor: »Ode an Belles Hintern: Die Melonenzwillinge wackeln und hüpfen wie Wind durch den Garten meines Herzens. Sie wogen prall unter einem dünnen Schleier aus Seide, und mein Atem wird unruhig. Ihre Melonenwangen sind reif — ich weiß es, weil ich sie ausgequetscht habe.«
    Cheryl sagte: »Was ist das denn?«
    »Ist das bloß meine Phantasie, oder klingt das wie das Zeug, das Herb bei der Beerdigung vorgelesen hat? Was eine interessante Frage aufwirft: Habe ich dich nicht dabei gesehen, wie du vor dem Gottesdienst Herbs Karteikarten durchgegangen bist?«
    »Nein. Und ich habe keine Ahnung, was das da sein soll.« Sie zeigte auf das Gedicht in meiner Hand.
    »Du warst nicht zufällig ein bißchen vernarrt in Belle?«
    Sie stand auf und zeigte zum Ausgang. Diesmal nahm ich den Hinweis auf. Ich sagte: »Wir sprechen uns noch.«
    »Und wie«, sagte sie.

    Ich ging in Herbs Büro. Cheryl ist ein zäher Vogel, wie ein Pathmark-Huhn. Belle kam wunderbar mit ihr aus. Vielleicht besser, als ich dachte. Alex fragte Herb gerade nach den wesentlichen Fakten, als ich reinkam. Herb, der Bär, begrüßte mich mit einer Umarmung und entschuldigte sich für die Unordnung. Er sagte: »Ich zieh’ heute nachmittag in Belles Büro um.« Ich setzte mich auf die Armlehne von Alex’ Stuhl, Herb schräg gegenüber.
    Alex sagte: »Der Leichnam ist noch nicht einmal kalt.«
    »Sie wurde eingeäschert«, konterte Herb.
    »Wo wird Cheryl sitzen?« fragte ich.
    Herb sagte: »Sie behält ihr Büro. Ich hab’ ihr heute morgen gesagt, sie soll Belles Schreibtisch aufräumen.« Das erklärte ihre blendende Stimmung. Herb fuhr fort: »Ich hab’ Alex gerade erzählt, was passiert ist, nachdem Belle von ihrem Lunch mit dir zurückgekommen war. Sie war total ausgerastet. Sie hat gegen den Kopierer getreten.« Er guckte uns an, als hätte dies eine höhere Bedeutung.
    Herb fuhr fort: »Es war ein ganz neuer Kopierer. Es dauerte Wochen, bis sie uns das Ding

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