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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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kommen und gehen ständig welche. Ich merke mir nur die gutaussehenden.« Wir hinterließen ihr unsere Büronummer. Ich nahm mir zum x-ten Mal vor, mir endlich mal Visitenkarten drucken zu lassen.
    Unsere Unterhaltung mit Stan war genauso hilfreich. Er sagte, er wäre aufs Klo gegangen, und als er zurückkam, hätte er das Paket vorgefunden, es sofort zu Yolanda raufgebracht und es dann vergessen. Ich gab ihm meine Nummer und schärfte ihm ein, mich sofort anzurufen, wenn so etwas noch mal passieren sollte. Wir stellten uns ein paar Stunden in die Lobby und fragten die Leute, die durchkamen, ob sie einen Mann bemerkt hätten, der Dienstag um fünf Uhr ein großes braunes Paket in das Gebäude getragen hätte. Ein paar sagten, sie wären nicht ganz sicher. Die meisten sagten, sie könnten sich nicht erinnern. Alex und ich fuhren zu Do It Right, um uns über Belle zu unterhalten. Tot mit fünfunddreißig, Empfängerin von Spermaballons, eine Frau, die mannstoll war, sich Freunde kaufte, die Kollegen manipulierte, und die bis zu ihrer letzten Stunde immer schrecklich durcheinander gewesen war. So ganz und gar nicht das Bild einer reichen, schönen, international geachteten Journalistin.

    Dieses Portrait paßt wiederum so gar nicht zu der Belle, die ich vor fünf Jahren anläßlich meiner Graduierung in Dartmouth kennenlernte. Ich sah sie als blonde Göttin ohne jeden Makel, eine gleichsam überirdische Erscheinung von umwerfender Ausstrahlung und überragender Intelligenz. Der Midnight hatte gerade den großen Preis der American Society of Magazine Editors für herausragende Leistungen gewonnen, und das gleich nach dem ersten Jahr seines Erscheinens. Das veranlaßte die Falkul-tät des Colleges, ihrer herausragenden Ehemaligen einen Ehrengrad in den Schönen Künsten zu verleihen. Belle Beatrice war Angehörige der ersten Frauenklasse, die 1972 in Dartmouth eingerichtet worden war, und sie hatte in ihrem Hauptfach Englisch siebenmal die Bestnote ihres Jahrgangs geschafft. Darüber hinaus hatte sie in ihrem Examensjahr 1976 den Preis der Englischen Abteilung für herausragende Leistungen in Literaturkritik gewonnen. Belle war außerdem der erste weibliche Redakteur der Zeitschrift The Dartmouth gewesen, bei der ich gerade mein Regiment als Umbruchredakteurin beendete. Eine Art Legende am College, und ganz sicher eine Legende in der inzestuösen New Yorker Verlagsszene, hatte Belle sich bereiterklärt, bei meiner Graduierung zu erscheinen, um ihren Ehrengrad entgegenzunehmen. Ich setzte mich nah genug ans Podium, um sie während der Zeremonie genau sehen zu können. Ich hatte sämtliche bisherigen Nummern des Midnight verschlungen und war total fasziniert von ihr. Sie sagte nichts, als sie die Ehrung entgegennahm. Sie lächelte nur und nickte dem Collegepräsidenten zu. Sie war bescheiden, großherzig, freundlich und — hab’ ich das schon gesagt? — einfach großartig.
    Ich hatte gehört, daß Belle am Abend zur Ehemaligenparty vom The Dartmouth kommen würde, um ein paar Stories aus der wirklichen Welt des Journalismus zu erzählen. Ich eiste mich so schnell ich konnte von meinen Eltern los, um mich für die Party zurechtzumachen, beseelt von dem Wunsch, Eindruck bei der sensationellen und brillanten Belle Beatrice zu schinden. Ich glaube, das war der einzige Abend in meiner gesamten Collegekarriere, an dem ich Make-up drauf hatte. Belle war umwerfend. Sie hielt uns über Stunden hinweg mit ihren Geistesblitzen in Bann. Hier sind ein paar Kostproben:
    »Ein alter Freund hat mal zu mir gesagt: >Belle, es gibt drei Arten von Menschen auf dieser Welt. Die reinen Lustmenschen, die reinen Intellektmenschen und die, die sich nicht entscheiden können. Zu welcher Sorte gehörst du?< Ich behauptete stolz, daß ich ein reiner Lustmensch wäre, milderte das jedoch ab, indem ich sagte, daß ich von Natur aus verdammt klug wäre und mein Hirn benutzen könnte, um meine Sinnlichkeit zu fördern. Er sagte, er wäre auch ein reiner Lustmensch. Wir bestätigten uns noch am selben Nachmittag gegenseitig in unserer Selbsteinschätzung, und danach entschied ich, daß auch er von Natur aus verdammt smart war. Ihr müßt wissen, die smartesten Leute auf dieser Welt sind die, die wissen, wann sie ihrem Körper das Reden überlassen müssen.
    Der Journalismus besteht zu einem nicht zu unterschätzenden Teil aus Schwachsinn. Er ist eine abgestumpfte Welt — eine, die Zynismus belohnt und Naivität herabsetzt und belächelt. Man lernt

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