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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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Ader in dir muß einfach weg. Und ich kann mir keinen besseren Weg vorstellen, dich auf Trab zu bringen, als meinen Mörder zu finden — falls ich tatsächlich ermordet werden (beziehungsweise: worden sein) sollte. Besten Dank allerseits. Ich hoffe, ihr geht gut mit meinem Tod um und seid zufrieden mit dem Inhalt dieses Testaments. Natürlich, wenn mir nichts passiert, wird eure Zufriedenheit kein Thema sein. Und wenn ihr nicht zufrieden seid, dann habt ihr es nicht besser verdiente«
    Ich konnte sie fast vor mir sehen, wie sie sich eins ins Fäustchen lachte, als sie das schrieb. Belles berühmter letzter Lacher. Meine Gedanken wirbelten — mit 500 000 Dollar wäre die Agentur aus dem Schneider, und ich würde meine Rache an Belles Mörder bekommen. Ich mußte mich dranhalten, mir schnell was einfallen lassen.
    Gladman legte das Dokument in die Mappe zurück. Er musterte jeden von uns ein paar Sekunden. Dann sagte er: »Belle hat mich zum Vollstrecker ihres Testaments ernannt. Es wird nicht allzu lange dauern, den ganzen juristischen Kram abzuklären. Ich werde Sie alle in der kommenden Woche anrufen, um die Details mit Ihnen zu besprechen. Noch Fragen?« Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Gut«, sagte er. Er drückte auf die Taste seines Sprechgeräts und bat seine Sekretärin, Kaffee zu bringen. Kaffee. Darum würde ich eine Weile einen großen Bogen machen. Ich hatte eine Wahnsinnswoche vor mir.
    Mom und Dad schauderten. Herb hatte ein verschwiegenes Lächeln aufgesetzt. Johann sah aus, als wünschte er, es gäbe irgendwo in der Nähe einen Stein, unter den er kriechen könnte. Eine versteckte Tür glitt hinter mir auf. Ich hörte die Sekretärin hereinkommen. Ich beobachtete in dem Moment gerade Johann. Er schien zusammenzuzucken. Eine Stimme, die mir eindeutig bekannt vorkam, sagte: »Soll ich das Tablett hierhin stellen, Mr. Gladman?« In meinem Kopf machte es klick, und ich war ganz und gar nicht überrascht, als ich mich umdrehte.
    Mr. Gladman sagte: »Ja, Martha. So ist’s recht.«

Die Geburt einer Ermittlung

    Die Sonne plumpste bäuchlings in den Hudson. Ich hatte nach der Testamentsverlesung in einem Coffee Shop in der Nähe des Büros zwei Eier verdrückt. Den Rest des Nachmittags benutzte ich dazu, eine Liste der möglichen Verdächtigen aufzustellen, und ich versuchte, Alex zu erreichen. Außerdem verbrachte ich einige Zeit damit, Streichholzheftchen in einen Hut zu schnippen. Ich war inzwischen ziemlich gut darin. Gegen 7 Uhr fuhr ich nach Hause, um für die abendliche Schnüffeltour eine etwas weniger auffällige Kluft anzuziehen. Ich hatte vor, Johann zu beobachten. Ich nahm meine übliche Abkürzung durch zwei Baustellen zum Bahnhofseingang auf der 43. Straße. Ein paar Obdachlose schliefen unter Zeitungen, als ich auf dem 7th-Ave-nue-Bahnsteig in Brooklyn ausstieg. Eine Frau fragte mich, ob ich ein bißchen Kleingeld übrig hätte. Ich erwiderte: »Wer hat schon Geld übrig?« und gab ihr einen Quarter. Ich entfachte eine Zigarette und schlurfte die Flatbush Avenue hinunter. An einem Haus in meinem Block stand ein Mann an einer Feuertreppe und schrie zu einem anderen Mann, der im zweiten Stock stand, hinauf: »Hast du ‘nen Quarter?« Einen Moment lang dachte ich, er meinte mich.
    Ich sagte: »Du kommst fünf Minuten zu spät.« Er guckte mich verdutzt an. Der Mann im zweiten Stock warf eine kleine Glasampulle runter. Erst da begriff ich, daß der Typ, der unten stand, kein Geld wollte. Als ich mich meinem Haus näherte, sah ich, daß hinter meinem Vorderfenster Licht brannte. Ich lasse nie das Licht brennen. Ich setzte mich ein paar Minuten auf die Eingangsstufe und rauchte meine Zigarette auf. Sie schmeckte ausgezeichnet. Ich nahm Mama aus der Handtasche und ging ins Haus. Ich trat meine Wohnungstür auf und schwenkte die ,22er in detektivischer Manier im Halbkreis durch mein Wohnzimmer. Niemand zu sehen. Ich hörte Wasser rauschen. Ich schlich auf leisen Sohlen zum Badezimmer, die Knarre mit beiden Händen vor mir. Daß jemand dagewesen war, war nicht zu übersehen. Die Wohnung war aufgeräumt. Otis war nirgends zu sehen. Ich fühlte, wie mein Herz unter meinen Milchdrüsen pochte. Heizungsrohre knackten.
    Die Bodendielen knarrten, als ich zurückging. Ich hörte Otis schreien. Wenn jemand meiner Katze etwas antat, würde ich ihm die grauen Zellen rauspusten. Jetzt war ich auf der Schwelle zum Badezimmer. Die Tür war zu. Drinnen rauschte Wasser. Durch die Türritze kam Dampf.

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