Der schwarze Ballon
milchigen Flüssigkeit gefüllt waren. Ich sagte: »Ist es das, was ich denke?«
Er sagte: »Ich glaub’, ja.«
»Denkst du auch, was ich denke?«
»Wenn du daran denkst, wie wir zwei zusammen im Bett liegen, dann denken wir das gleiche.« Er zwinkerte. Ich gab ihm einen leichten Knuff in den Magen.
Ich sagte: »Dann denken wir doch nicht das gleiche.« Wir gingen ins Wohnzimmer zurück.
Martha und Johann saßen eng zusammen auf der Couch und hatten die Köpfe zusammengesteckt. Sie lösten sich voneinander und schauten mich erwartungsvoll an.
Ich sagte: »Ich glaube, es würde mir leichter fallen, ein Pfund rohe Leber zu schlucken, als eure Story.«
Johann sprang auf und sagte: »Siehst du’s jetzt, Martha? Dieser Frau kann man nicht trauen.«
Sie sagte: »Aber ihr habt noch nicht die ganze Story gehört. Ich wollte euch doch noch von den Briefen erzählen.«
Alex sagte: »Briefe von dem Kerl, der Sie überfallen hat?«
Sie sagte: »Ich glaube, daß sie von ihm sind.«
»Drohbriefe?« fragte ich.
»Eigentlich sind es Gedichte. Keine Unterschrift. Mit Schreibmaschine geschrieben«, sagte sie.
Ich sagte: »Zeig’ sie mir.« Johann griff in die Seitentasche auf der Couch. Er zog einen großen braunen Umschlag heraus und reichte ihn mir. Er enthielt mehrere Dutzend Gedichte. Ich las ein paar davon laut vor:
Ode an Marthas Lippen
Deine Lippen sind wie reife Himbeeren
Prall und glitzernd vor Saft
Zerquetscht über dein ganzes Gesicht
Von meinem gigantischen Schlong
Sie öffnen sich, sie sprechen
Sie beherbergen deine rebengleiche Zunge
Sie winden sich um mein herrliches Glied
Wie eine Hündin in Hitze
Sich klammert an mein williges Bein.
Ode an Marthas Augen
Ihre Weintrauben sehen hinaus, aber nicht hindurch
Täten sie es, so sähen sie den anderen Mann
Den König heißer Lust, den siedenden, der sich verzehrt
Und wartet auf Komm-zu-mir-Blicke
Aus deinen schweigenden Augen.
Ode an Marthas Fesseln
Ich betrachte die Selleriestengel der Fesseln meiner Geliebten
Als ob ich die Flut erwarte, um zu ertrinken, fortgespült zu werden
Wie zerbrochenes Strandgut
Von vollkommenem Ebenmaß sind meiner Geliebten Fesseln
Es ist schwer, die Physik sich vorzustellen —
Wie so zarte Stengel solch schwere Schenkel zu tragen vermögen.
Johann sagte: »Martha haßt die Stelle mit den schweren Schenkeln, nicht wahr, Honey?« Martha errötete.
Ich sagte: »Würde ich auch.«
»Und schau mal«, sagte Johann und deutete auf Marthas Körper. Sie hat überhaupt keine schweren Schenkel. Ihre Beine sind dünn.« Ich sagte: »Ich kann nur erahnen, wie dieser Poet mich wohl beschreiben würde.«
»Vom literarischen Standpunkt aus würde ich sagen, diese Gedichte kann man vergessen«, bemerkte Alex.
Ich blätterte den Stoß durch — gewöhnliches weißes Schreibmaschinenpapier, Standardqualität. Ich sagte: »Es scheint ein Gedicht für beinahe jedes Körperteil zu geben. Hier ist eine >Ode an Marthas Brüste<.«
Johann sagte: »Das erste Gedicht kam am Dienstag nach Belles Ermordung. Was der Typ da auf der Beerdigung vorgelesen hat, klang genauso. Ich hab’ ihn Martha beschrieben, und sie meint, vom Typ und von der Körpergröße her könnte er der Würger sein.«
»Herb Stoltz ist kein Mörder«, sagte ich.
»Woher willst du das wissen?« fragte Johann.
»Gute Frage, Wanda«, pflichtete Alex ihm bei.
Meine Zigarette war mir zwischen den Fingern runtergebrannt. Ich warf den angeschmorten Filter in den Aschenbecher. Ich sagte: »Martha, du hast ganz offensichtlich gewußt, daß Johann mit Belle schlief. Richtig?«
»Ja.« Sie senkte den Blick.
»Wenn ich euch beide so sehe, wie ihr hier miteinander turtelt und rumschmust, kann ich mir irgendwie nicht vorstellen, daß du das so toll gefunden hast.«
»Johann kann sexuell herumexperimentieren, soviel und mit wem er will. Und ich auch.«
Das erklärt vielleicht die Sache in der Orchid Lounge, aber nicht eine ausgewachsene Affäre inklusive Heiratsantrag. Martha rutschte ein wenig von ihm weg, aber nicht aus Show. Johanns Wangenmuskeln arbeiteten. Sie sagte nicht die ganze Wahrheit.
Alex sagte: »Sexuelle Freiheit ist out, wußten Sie das noch nicht?«
»Ich hab’ Belle kennengelernt, bevor Martha und ich wußten, wie viel wir uns bedeuteten. Ich hab’ versucht, mit Belle Schluß zu machen«, erklärte Johann.
»Ach so, Deshalb hast du ihr wohl auch in der Nacht vor ihrer Ermordung einen Heiratsantrag gemacht. Klingt logisch.«
»Nein. Ich...«
»Könnte man
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