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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Valerie Frankel
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draußen in Greenwich.« Sie nippte an ihrem Glas und tupfte sich geziert den Mund mit einer Leinenserviette ab.
    Ich sagte: »Wissen Sie irgend etwas über ihre Beziehung zu Johann Pesto?« Ich fand, er eignete sich gut als Übergang zu dem Thema Verflossene ganz allgemein. Besonders zu solchen, die gerne erotische Gedichte schreiben.
    »Belle hat niemals mit uns über ihre intimen Beziehungen gesprochen«, sagte Anne.
    Belles Beziehungen waren immer kurz und heftig. Obwohl ich nicht glaubte, daß sie es wissen würde, fragte ich: »Irgendwelche engen Freunde, die sie öfter erwähnte?«
    Anne sagte: »Sie hat auch nie mit uns über ihren gesellschaftlichen Umgang gesprochen.«
    »Sie haben also nicht über das Magazin gesprochen, und Sie haben nicht über Belles Umgang gesprochen. Entschuldigen Sie, Madam, aber worüber haben Sie eigentlich gesprochen?«
    »Oh, über das Wetter. Die Leute in Greenwich. Unsere Gespräche drehten sich immer mehr um alltägliche Dinge als um Persönliches.«
    »Und das hat Belle gereicht?«
    Anne sagte mit gesetztem, altdamenhaftem Unwillen: »Sie hat sich nie beschwert. Aber ich will Ihnen eins sagen: Für uns steht ganz klar fest, daß diese Zeitschrift letztendlich schuld an ihrem Tod ist.« Wieder wehte eine Brise durch das Haus und ließ die Gardinen flattern.
    Skip sagte: »Diese frische Luft ist wundervoll.« Ich warf ihm einen drohenden Blick zu.
    »Könnten Sie das bitte näher erklären?« fragte ich. »Wieso das Magazin schuld daran sein soll, daß sie getötet wurde?«
    »Belle war als Kind immer ein höfliches, rücksichtsvolles und liebes kleines Mädchen. Eine Spätzünderin. Sie hätten Sie als Teenager sehen sollen. Brad und ich dachten schon, wir würden ihr einen Ehemann kaufen müssen. Sie war so linkisch und dünn, und dann diese dicken Brillengläser. Wir hätten nie gedacht, daß sie einmal eine so schöne Frau werden würde. Wir waren so stolz darüber.« Oh, verflucht. Wie die Tochter, so die Mutter. Gleich würde die Sturzflut losbrechen. Anne tupfte sich die Augen mit der Serviette ab. Aber sie heulte nicht so ungehemmt drauflos wie Belle. Selbst in ihrem Schmerz war sie ganz die echte neuenglische Ehefrau, reserviert, würdevoll und gediegen. Nur ein paar salzige Tropfen entwischten ihr. Skip machte mir Handzeichen, als ob wir irgendwas unternehmen sollten. Ich winkte ab. Anne fing sich rasch wieder und sagte mit ruhigem Zorn: »Erst als sie diese Zeitschrift gründete, begann sie sich offen gegen Vater und mich zu stellen. Wir wußten nicht, wie wir uns verhalten sollten, zum einen, was diese Zeitschrift anging und daß alle unsere Freunde in der Stadt wußten, daß unsere Tochter für so etwas verantwortlich war, und zum andern, was Belles Veränderung in ihrer ganzen Einstellung betraf. Daß Sie mich nicht mißverstehen: wir liebten sie damals genausosehr, wie wir sie unser ganzes Leben geliebt haben. Es war bloß das erste Mal, daß wir eine ernste Meinungsverschiedenheit hatten.«
    Und wahrscheinlich das erste Mal, daß Belle irgend etwas tat, das mit Liebe zu tun hatte. Ich glaube nicht, daß sie irgend etwas mehr geliebt oder an irgend etwas mehr gehangen hat als am Midnight. Ich sagte: »Und was hat das mit ihrer Ermordung zu tun, Mrs. Beatrice?«
    Sie starrte mich an, so intensiv, wie ihre vom Star befallenen Augen das zuließen. Sie sagte: »Verstehen Sie denn nicht, Ms. Mallory? Sie hatte irgendein perverses, krankes Verhältnis während ihrer Jahre bei dieser Zeitschrift, das zu ihrer Ermordung führte. Überlegen Sie doch nur einmal, was für eine Art von Leuten sie da kennengelernt hat.«
    Leute wie mich. »Sie glauben also, der Mörder ist jemand, den sie während der letzten fünf Jahre kennengelernt hat?« fragte ich.
    »Oder jemand, den sie von früher kannte und der entsetzt von dem war, was sie gemacht hatte.« Müde bot sie Skip von dem Trockenobst an. Er dankte und schaufelte es in sich hinein.
    Ich sagte: »Haben Sie irgendeine Idee, wer es gewesen sein könnte?«
    Gereizt erwiderte sie: »Natürlich nicht.« Sie hatte ein bißchen Mühe, sich von der Couch zu erheben, und Skip sprang zu ihr und half ihr hoch. Sie lächelte ihn an und sagte: »Danke sehr, junger Mann.« Ein Kavalier der alten Schule. Ich hätte ihm eine knallen können. Sie sagte: »Ich fühle mich mit einem Mal sehr erschöpft. Wenn Sie nichts dagegen haben...«
    Ich stand auf. Ich war bei Anne voll in den Matsch getreten. Und hatte einen ganzen Vormittag

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