Der schwarze Ballon
Detektive zu sein.
Aber ich kannte Shlomo. Ein Mann, der Kurse im Learning Annex ernst nimmt, ein Zimmergärtner, der beim Anblick eines Wacholderbaums einen Orgasmus kriegt, ein Arzt, der nach Brooklyn gezogen ist, um einer verrückten Kosmetikerin mit einem Tick für »farbige Umgebung« einen Gefallen zu tun — konnte ein solcher Mann seine Frau betrügen? Aber Santi kennt ihn besser als ich. Und sie liebt es, eine gesunde Spannung in ihrer Beziehung zu halten. Die hilft ihr, sie in ihrer irrationalen Angst vor der Ehe zu bekräftigen.
Wir aßen. Santina saß kaum einmal eine Sekunde still. Ständig stand sie auf und holte irgendwas — Salz, Pfeffer, Wein, Parmesan. Schließlich sagte Alex: »Santina. Hör’ mal...«
»Was möchtest du, Schatz? Noch ein bißchen Brot? Noch etwas Wein? Noch einen Schlag Nudeln? Ihr jungen Burschen könnt ja echt was verdrücken.«
»Ich wollte dir bloß einen kleinen Rat geben«, sagte Alex.
»Schieß los. Ich liebe es, den Gedanken der jüngeren Generation zu lauschen. Ich bin ganz Ohr. Schieß los.«
Er sagte: »Okay. Ich würde sagen, es gibt eine Sache, die Männer von ihren Frauen mehr wollen als alles andere.«
Ich sagte: »Sex.«
Er sagte: »Nun, sicher, aber das ist nicht das, was ich meine. Die Männer wollen, daß ihre Frauen ihnen vertrauen. Mehr als alles andere.« Santina und ich waren so baff, daß wir beide nichts erwidern konnten und zu essen aufhörten. Alex mampfte munter weiter; er schien gar nicht zu merken, daß wir die Gabeln hingelegt hatten. Ich lauschte dem Summen des Kühlschranks.
Santina fand als erste ihre Sprache wieder. Sie sagte: »Tja, Alex. Jetzt komm’ ich mir wie eine alte Närrin vor.« Sie zögerte einen Moment. »Bist du sicher, daß du keinen Nachschlag haben willst?«
Er hielt ihr seinen leeren Teller hin und sagte: »Ich hätte gerne noch was. Danke.«
Santina lächelte Alex an. Es war ein unverfälschtes Lächeln — eine echte Seltenheit bei ihr. Sie nahm seinen Teller und ging in die Küche. Ich stand auf und folgte ihr mit meinem leeren Teller. Ihr perfekt geschminktes Gesicht war weich geworden, ein eigenartiger Kontrast zu ihrem hoch aufgetürmten Haargebirge.
In der Küche sagte ich: »Er hat recht.«
Mit ungewohnt leiser Stimme sagte sie: »Vielleicht sollte ich Shlomo heiraten.«
»Vielleicht solltest du das.« Alex kam herein und holte den Salat aus dem Kühlschrank. Er sagte zu Santi, er hätte den Salat ganz vergessen und würde, obwohl die Pasta wirklich köstlich schmeckte, doch lieber auf den Nachschlag verzichten, damit er noch Platz für den Nachtisch hätte. Dieses ganze Gerede über das Essen ließ Santi wieder zu ihrem gewohnten Schwung zurückfinden. Sie nahm Alex die Salatschüssel ab und begann, den Salat in kleine Schalen zu füllen. Sie schilderte wortreich und schwungvoll ihre stundenlange Odyssee durch die Gemüseläden und tratschte über die Kassiererinnen in all den Feinschmeckerläden von Park Slope. Ich schlich mich hinter sie und versuchte, mir noch einen Schlag Pasta auf den Teller zu schaufeln. Santi nahm mir den Teller ab und schmiß die übriggebliebenen Nudeln in den Müll.
»Ich glaube, du hast genug habt, Miss Ich-brauch’-keine-Diät-zu-machen.«
Ich zuckte die Achseln. Niemanden außer Santina schien es zu kümmern, wieviel ich aß. Ich ging zurück ins Eßzimmer und zündete mir eine Zigarette an.
»Wie läuft denn die Ermittlung so?« fragte Santina.
Alex antwortete: »Ganz gut. Jede Menge bizarrer Hinweise, aber keine soliden Anhaltspunkte.«
»Inwiefern bizarr?«
»Überfälle auf der Straße, erotische Gedichte, mit Sperma gefüllte Luftballons.«
Ich sagte: »Alex, du solltest doch nicht vor ihr über den Fall sprechen.«
Santina versicherte uns, daß wir das ruhig könnten, aber ich wußte es besser. Wir hatten gerade mit dem Salat angefangen, als sie auffuhr.
»Ach ja, bevor ich’s vergesse«, sagte sie, »ich hab’ oben Bewerbungsunterlagen fürs Jurastudium. Ich glaube, es würde dir guttun, wenn du sie ausfüllen würdest. Alle. Das gilt auch für dich, Alex. Wir können sie nachher nach dem Kaffee kurz durchgehen. Wanda kriegt natürlich Ingwertee. Ich weiß, ich habe versprochen, nicht damit anzufangen, aber ehrlich, Miss Spürnase, du bist in Gefahr. Ich kann das förmlich fühlen. Das ist keine Umgebung für dich, Wanda, diese widerwärtige Times-Square-Bude. Und außerdem weiß ich genau, daß du noch immer die Abkürzung über die Baustelle nimmst, um
Weitere Kostenlose Bücher