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Der schwarze Ballon

Der schwarze Ballon

Titel: Der schwarze Ballon
Autoren: Valerie Frankel
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unterstellt?« Ich nahm einen Schluck; Öl auf Leder.
    »Ich möchte mich bloß mit dir unterhalten.«
    »Ich will mich nicht unterhalten. Wenn du dich unbedingt unterhalten willst, hier sitzen genug Leute rum. Zum Beispiel die Typen da drüben.« Ich zeigte auf ein paar Männer, die mit Luigi plauderten.
    Sie sagte: »Um die kümmert sich schon Luigi.« Sie stellte eine Flasche Mescal auf die Theke. »Sich mit dir zu unterhalten ist, als ob man eine Konservendose mit einer Gabel aufmachen würde.« Das hätte von mir sein können. Sie zwirbelte einen ihrer Zöpfe um den Finger. Ich peilte sie mit meinem Tequila-Blick an. Ich schätzte sie auf Anfang zwanzig. Ihre Augen ließen Intelligenz erkennen. Wahrscheinlich fühlte sie sich genauso allein wie ich. Was konnte es schaden, dachte ich plötzlich, wenn ich meinen Reichtum an Trübsal mit dieser einsamen Unten-ohne-Kellnerin teilte? »Also gut, Deb. Worüber möchtest du dich denn unterhalten?« fragte ich.
    Sie sagte: »Wie wär’s, wenn wir uns über dich unterhalten? «
    Ich dachte, lieber laß ich mich von einer Horde Holzfäller vergewaltigen. Ich sagte: »Ich möchte nicht über mich reden.«
    »Warum nicht?«
    »Meine Probleme sind meine Sache.«
    »Aber andere Leute können dir bei deinen Problemen helfen.«
    Ich sagte: »Es ist voll genug hier.« Ich klopfte mir mit dem Rand meines Glases an den Kopf. Das Eis klimperte. Ich brauchte noch einen Drink. Deb goß mir einen ein.
    »Der geht aufs Haus«, sagte sie.
    »Danke.« Ich stülpte das Gebräu in einem Zug. Sie füllte nach.
    »Was arbeitest du?« fragte sie.
    »Was arbeitest du? Ach — streich’ das. Ich weiß schon.«
    »Du weißt nur die Hälfte. Ich studiere. Ich mach’ gerade mein Abschlußsemester in klinischer Psychologie an der NYU. Und eigentlich muß ich dir ein kleines Geständnis machen. Ich teste meine Hausarbeit an dir.«
    »Das machst du aber nicht besonders gut«, sagte ich.
    »Noch nicht.« Sie fummelte an einem Riemchen ihres Oberteils herum und drehte weiter an ihren Zöpfen.
    »Okay. Wie lautet die Hausaufgabe?« fragte ich.
    »Es ist so gesehen eigentlich keine richtige Hausaufgabe«, sagte sie. »Ich sprech’ einfach gern mit Leuten, die so aussehen, als bräuchten sie einen Freund. Ein bißchen Freelance-Arbeit.«
    »Deb und Luigi — das Wohltätergespann.«
    »Du kannst dich gern über mich lustig machen, wenn du möchtest. Aber ich helfe gerne Menschen aus der Not.«
    »Und Neandertalern für einen Zehner einen zu blasen gehört wohl auch zu deiner Hilfsmission.«
    »Blasen kostet fünfzig«, sagte sie lächelnd.
    Ich gab mich geschlagen. Dies war ganz bestimmt nicht die typische Durchschnittsstudentin. Oder die typische Hinterzimmernutte. Ich sagte: »Wenn du mir helfen willst, dann sag’ mir, ob du schon mal einen großen Blonden namens Johann Pesto dazwischengehabt hast.«
    »Klar kenn’ ich Johann. Er hat den Mädchen oft Geschenke mitgebracht.« Unter anderem wohl die Handschellen und den Federstaubwedel mit Pimmelgriff, die ich ihn im Snack Happy hatte kaufen sehen. Sie fuhr fort: »Er ist in letzter Zeit nicht mehr so oft hiergewesen, jetzt, wo er eine Berühmtheit ist. Ich glaub’, er hat was Festes.«
    »Du meinst bestimmt Martha Schreckenspiel. Groß, lange braune Haare.«
    »Ich hab’ ihn noch nie mit ihr gesehen«, sagte sie. »Er hat mir bloß neulich abends mal erzählt, er würde demnächst heiraten.« Er mußte Belle gemeint haben.
    »Wann war das?«
    »Vor einer Woche.«
    »Hat er je was von einer Frau namens Belle Beatrice erzählt?«
    Deb lächelte und sagte: »Ich war ein großer Fan von ihr, mußt du wissen.«
    »Ich auch«, sagte ich.
    Sie wischte die Theke mit dem dreckigen Lappen ab. Sie goß Mescal in ihre Schnapsgläser. Sie sagte: »Kann ich dir noch einen ausgeben?«
    Ich sagte: »Aber immer.« Sie kippte ihren runter. Ich langte nach meinem Glas und stieß es um. Ich war betrunkener, als ich geglaubt hatte.
    Deb sagte: »Ärger mit ‘nem Typ?«
    »Ich möchte nicht darüber sprechen.«
    »Was hast du zu verlieren?«
    Ich sagte: »Er ist mein Partner.«
    »Liebespartner oder Geschäftspartner?«
    »Beides. Weder noch.« Sie gab den unverbindlich-dezenten »Mmh-mmh«-Laut von sich, den alle Seelenklempner der Welt von sich geben, wenn sie ihr Gegenüber zum Weiterreden ermuntern wollen. Ich sagte: »Er findet, ich wär’ grob und unsensibel.«
    »Hat er recht?«
    »Es ist doch wohl nichts Schlimmes dabei, wenn jemand ein bißchen Feuer im
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