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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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der Ton bis hin zur Mall reichte, wo die Königin Anne in ihrem einsamen Zimmer saß und die Worte der Versammlung sowohl aus dem Fernsehen hörte wie auch direkt, obwohl die Versammlung eine Viertelmei le entfernt war. Der Ton reichte bis hin zur Whitehall, dem Sitz des Parlamentes.
    Das Parlament. Eine verachtete Institution.
     
    Sie haben sich bereits zerstritten, dachte Ryan und schaute in die Gesichter der Patrioten. Es gab Anzeichen für Meinungsverschiedenheiten, vielleicht würde es bald zur Spaltung kommen.
    Aber inzwischen hielt man die üblichen Reden, zerhackt von Lautsprecheranlagen und dem Wind und voller politischer Klischees, die schwer zu fassen waren.
    Der Schnee fiel auf die aufschauenden Gesichter der Menge – einer ordentlichen Masse verantwortungsbewußter Leute. Es gab kaum Zwischenrufer. Die Anwesenheit der Truppen und der Schutzstaffeln der Patrioten zeigte ihre Wirkung.
    Collin Beesley, Führer der Patrioten und Parlamentsmitglied, stand auf, um zu sprechen.
    Beesley, ein großer schwerer Mann in langem schwarzen Mantel und Hut, war Extremist. Seine politische Ausstrahlung war von alter Schule – der Schule Churchills, die noch immer viele Menschen in ihren Bann schlug, die sich starke Politiker wünschten. Sein Ton war nachdenklich. Seine Worte, langsam und verhältnismäßig deutlich gesprochen, verkündeten Unheil.
    Im Gegensatz zu den anderen sprach er nicht nur über die Sache der Patrioten.
    Als er zu sprechen begann, ließ der Wind nach, und seine Worte kamen mit plötzlicher Klarheit – hallten über die Menge, über den Platz, durch die Straßen bis nach Westminster, bis hin zum Buckingham Palast und in der anderen Richtung bis zum Piccadilly Circus.
    »Fremde sind unter uns«, sagte er mit gesenktem Kopf und vor zur Menge gebeugt. »Wir wissen nicht, woher sie kommen; wir wissen nicht, wie sie gelandet sind. Wir kennen ihre Zahlen nicht. Aber meine Freunde, Volk von England – sie sind unter uns.«
    Ryan stand ungemütlich mitten in der Menge und grinste zynisch zu seinem Freund Masterson hinüber, der neben ihm stand. Ryan glaubte nicht an eine Invasion der Fremden. Nicht in einem Land, in dem zahllose Observatorien permanent den Himmel beobachteten. Aber Masterson hörte Beesley aufmerksam und gespannt zu.
    Ryan richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Redner.
    »Wir wissen nicht, wer sie sind, obwohl sie hier sind.« Beesleys Stimme dröhnte weiter. »Sie sehen aus wie wir, sprechen wie wir – sie wirken wie Menschen – aber sie sind keine. Sie sind Un-Menschen. – Sie sind gegen den Menschen.« Er machte eine Pause und fuhr mit leiser Stimme fort: »Woher wissen wir überhaupt von den Fremdlingen? Woher wissen wir von dieser Gefahr, diesen Kreaturen, die sich unter uns bewegen und uns vergiften wie Krebszellen einen gesunden Körper? Wir können uns mit eigenen Augen davon überzeugen. Wir wissen, daß sie existieren, da wir erleben, was passiert, wenn sie in der Nähe sind.
    Wie könnte es sonst zu diesem Chaos, zu diesem Blutrausch, dieser Gesetzlosigkeit, diesem Aufruhr bei uns kommen?
    Wie können wir den Tod der kleinen Kinder sonst erklären, die von den Fanatikern in Yorkshire erschlagen wurden. Wie die Unruhen im Westen? Wie die teuflischen Praktiken der religiösen Fanatiker in den Fens? Woher kommt der Haß und das Mißtrauen? Woher die Mordrate – heute dreimal so hoch wie vor fünf Jahren und zehnmal so hoch wie 1990? Woher kommt es, daß wir heute so wenig Kinder haben, wo sich noch vor kurzem erst unsere Geburtenrate verdoppelt hatte? Das Unglück ist unter uns. Wem verdanken wir das alles? Wem?«
    Ryan schaute in die Gesichter der Leute um ihn herum und merkte, sie hörten ernsthaft zu. Taten sie das wirklich, oder hielt sie nur die Anwesenheit der Truppen und der Schutzstaffeln ab, zu buhen und diesem Unsinn den Rücken zu kehren?
    Er sah in die Gesichter der Polizisten um das Rednerpult. Sie starrten andächtig zu Beesley hinauf und hörten gespannt zu. Ryan sah mit Staunen, daß Beesleys Geschichte von den versteckten Invasoren von der Mehrzahl der Menge für bare Münze genommen wurde. Als Beesley fortfuhr und die unauffindbaren Maradeure, die Aufrührer, beschrieb, erntete er Zustimmung.
    »Ihre Stützpunkte«, fuhr Beesley fort, »ihre Stützpunkte müssen wir finden und wie Wespennester zerstören.«
    Und wie ein Echo hallte es über den Platz:
    »Jaaa …«
    »Wir müssen den Feind finden und vernichten. Ob es sich um Fremde aus dem Weltraum

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