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Der schwarze Korridor

Der schwarze Korridor

Titel: Der schwarze Korridor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ihrem Stuhl sitzen zu bleiben, egal wie schädlich das für die Fir ma war, herumzuschnüffeln, gutes Geld abzusahnen und keinen Ge danken daran verschwenden, das die bloße Anwesenheit zum Ruin der Firma führen könnte. Sich unentbehrlich machen in der Hoff nung, niemand würde über ihn nachdenken und ihn feuern. Freundlich, brauchbar und nützlich. Vielleicht sogar ein Brückenkopf für irgendwelche Sabotageakte der welschen Nationalisten. Irgendwann – ein Messer in den Rücken, eine Kugel aus einem Fenster.
    Hör auf, sagte sich Ryan. Powell war nicht so. Er mußte den Mann nicht zu einem Attentäter aufbauen, um den Rausschmiß zu rechtfertigen. Es gab nur einen Grund für seine Entlassung, er war ein Störfaktor. Er konnte der Firma Schaden zufügen.
    Ryan entspannte sich. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, öff nete eine Schublade und holte sein Lunchpaket heraus. Er öffnete die Thermosflasche und goß sich eine Tasse Kaffee ein. Er stellte sein Essen auf einen Miniaturerhitzer.
    Gott sei Dank hatte man die offiziellen Essen mit Geschäftsfreunden oder Firmenmitgliedern abgeschafft.
    Gott sei Dank hatten all diese Essen in der Öffentlichkeit endlich aufgehört. War es nicht schrecklich, mit völlig fremden Leuten mampfend und schluckend an einem Tisch zu sitzen, ihnen auf den Mund zu starren, ihnen Wein, Salz, Pfeffer und ähnliches zu reichen, um ihr Essen schmackhafter zu machen, und sich während der Nahrungsaufnahme auch noch zu unterhalten. Die Abschaffung der Kantinen hatte außerdem dringend benötigte Büroräume geschaffen. Ryan nahm eine Gabel und stocherte auf dem Teller herum. Das Essen war jetzt heiß.
    Nach dem Essen fühlte er sich besser. Er hatte es sich überlegt. Er verschwendete keine Zeit, wenn es galt, Entschlüsse zu fassen. Er wischte sich die Lippen ab.
    Das Problem hatte jetzt die richtige Größenordnung erhalten. Es würde ihn ein paar goldene und silberne Händedrücke kosten, aber das war es wert. Er konnte wahrscheinlich sowieso billigere Arbeitskräfte bekommen, wenn man an die vielen Arbeitslosen dachte, und so eventuell die Verluste bis zum Ende des Jahres wettmachen.
    So würde jeder etwas gewinnen – keiner etwas verlieren.
    Er nahm die Namenslisten und begann, sie sorgfältig zu studieren.
     
     
     
Kapitel 10
     
    So war es, denkt Ryan. Ein Rausschmiß, aber ein sanfter Rausschmiß. Niemandem wurde Schaden zugefügt. Es hätte schlimmer sein können. Das war halt der Unterschied, ob man ein Problem intelligent oder unintelligent anpackte. Ähnlich war es gewesen, als er die Gruppe bei den Unruhen während des Treffens der Patrioten gerettet hatte.
    Wann war das gewesen? Januar. Ja, Januar 2000. Die zivilisierte Welt erwartete den Untergang. Es gab den üblichen apokalyptischen Kram, den Ryan als Symptom radikaler Veränderungen abtat. Er konnte damals einfach nicht glauben, daß es noch schlimmer werden konnte. In der Stadt fanden Prozessionen statt. Es gab sogar Geißelungen und öffentliche Schuldbekenntnisse.
    Der Januar war auch der Monat dieser seltsamen Bestrebungen, die Fremden in Konzentrationslagern zu isolieren. Einige solcher Lager gab es bereits. Den Menschen darin ging es genausogut wie den anderen – vielleicht sogar besser. In diesem Monat hat ten die Patrioten auch versucht, noch andere Leute in die Lager zu bringen – aus undurchsichtigeren, weniger gut identifizierbaren Gruppen.
    Ryan erinnerte sich an die Menge auf dem Trafalgar Square. Etwa 50 000 Menschen bedeckten den Platz, drängelten sich auf den Stufen der Nationalgalerie und von St. Martin, wurden ins Innere der Galerie und der Kirche gedrückt bis hin zum Altar. Die Menge hatte alle Straßen der Umgebung verstopft. Es war entsetzlich. Menschen wie Ratten in einem Käfig.
    Noch jetzt wurde Ryan schlecht, wenn er daran dachte, wie er sich damals gefühlt hatte.
    Er und seine Gruppe waren hingegangen, hatten es aber bald bedauert. Immer wenn die Menge zu laut oder zu gewalttätig wurde, feuerten die Truppen über die Köpfe der Menge.
    Es hatte geschneit. Die Suchscheinwerfer spielten über den Fuß der Säulen, wo die Rednerpulte der Führer der Patrioten standen, strichen über die Köpfe der Menge und strahlten die Schneeflocken auf ihrem Weg zum Boden an.
    Die Führer der Patrioten standen mit hochgeschlagenen Mantelkragen im Schnee und schauten über die Menge. Und als sie sprachen, wurden ihre Stimmen durch Tausende von Lautsprechern verstärkt. So betäubend verstärkt, daß

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