Der schwarze Krieger
man gegen eine Bande ungezogener Jungen kämpfen und nicht gegen eine fünftausend Mann starke Kolonne der Nördlichen Wei-Dynastie. Die Pfeile verrichteten ihr Werk, punktgenau fielen sie tödlich vom Himmel mitten in die dichtgedrängten Reihen der Krieger, deren Panzer sich auf einmal in ein unnützes Gewicht gegen diesen stacheligen Regen verkehrten. Männer taumelten und fielen in den Schnee, der ihren Fall dämpfte wie ihre Schreie und das Wiehern der Pferde.
Die ganze kurze Schlacht schien in Schweigen gehüllt,eine unheimliche, unwirkliche Begegnung auf einer einsamen Schneefläche, die von weißen, stumm auf sie herabblickenden Bergen umgeben war. Rote Banner schwankten, zuckten und fielen dann zu Boden, wo sie reglos auf dem weißen Schnee ausgebreitet dalagen. Eiserne Pfeilspitzen sprengten Panzergehäuse und Knochenschurze, Blutspritzer befleckten den Pulverschnee in jenem langsamen Wintermassaker wie Saft von den roten Beeren der Zaunrübe.
Als die chinesische Attacke nachließ, ins Straucheln geriet und die Formation sich aufzulösen drohte, tat das Zentrum von Attilas Armee etwas Seltsames. Es zog sich zurück. Die chinesischen Ritter kamen nun voller Kampfgeist wieder, sie sprengten im Galopp heran, doch die barbarischen Reiter, gegen die sie da anstürmten, waren gar nicht mehr da. Nur die Pfeile der Barbaren flogen noch immer. Der Kern von Attilas Armee war geflohen, so schien es. Die chinesischen Verfolger versuchten, auf die zurückweichenden Feinde zu schießen, mussten aber feststellen, dass ihre Pfeile unweigerlich ins Leere trafen. Es war, als würde man ein Gespenst verfolgen, allerdings ein Gespenst, das mit eisernen Waffen ausgerüstet war.
In der Zwischenzeit hatte Attila die Außenflügel seiner Armee angewiesen, sich von der Mitte abzusondern, ein weiterer unerhörter Bruch mit den Regeln des chinesischen Kriegshandwerks. Eine Armee, die auf offenem Feld in Unterzahl ist, muss immer beisammenbleiben und ihre Formation beibehalten. In der Einheit liegt die letzte Hoffnung. Für diese flüchtige Armee mit ihren tödlichen Pfeilen schien das nicht zu gelten. Die von Aladar zur Linken und Csaba zur Rechten befehligten Flügel schwangen seitwärts wie die Hörner eines Büffels. Sie heulten, brüllten Kriegsgesänge, preschten in weitem Bogen über das schneebedeckte Gras, fielen dannin ein langsameres Tempo und ritten schließlich in wildem Galopp auf die wehrlosen Flanken der chinesischen Armee zu. Sicheln gleich mähten sie ihre Gegner nieder.
Bis zum Augenblick ihres Angriffs befahl Attila seinen zurückweichenden Bogenschützen, Pfeil um Pfeil auf die überrumpelten Chinesen abzufeuern. Erst als Aladar und Csaba nur noch hundert, dann fünfzig Meter entfernt waren, gab er endlich den Befehl, den mörderischen Regen einzustellen. Und nicht einer seiner eigenen heranstürmenden Männer wurde getroffen.
Attila befahl dem Zentrum seiner Armee anzuhalten, zu wenden, dann aber stehen zu bleiben. Direkt hinter ihm standen die achthundert Krieger von Juchi, Bela und Noyan bereit, das Herzstück seines kleinen Heeres. Fast ebenso ungeduldig wie ihre schnaubenden Pferde hatten sie zu warten, obwohl sie doch sehnsüchtig darauf brannten anzugreifen. Doch es gab nichts für sie zu tun. Die sechshundert Krieger, die die Flanken der Chinesen angegriffen hatten, erledigten alles allein, und den übrigen blieb nichts, als zuzusehen. Himmel-in-Fetzen schaute ungläubig zu und lachte nur immer wieder. Die Hunnen waren ganz in ihrem Element, ebenso diszipliniert wie todbringend. Es war beinahe zu einfach für sie.
Die Kriegsrufe der Kavallerie der Hunnen hallten über den Schnee, und als die Chinesen sahen, wie todesmutig, ja geradezu todessehnsüchtig die Hunnen kämpften, wurden sie von Panik ergriffen und versuchten sich zurückzuziehen. Doch um sich neu zu formieren, gab es zu wenig Platz, und alles artete in ein großes Durcheinander und ein einziges Gemetzel aus.
Endlich erteilte Attila den Befehl, und der letzte Teil seiner Armee stürmte voran, um den Rest der Arbeit zu übernehmen.Hinter dem Knäuel der chinesischen Kavallerie im Todeskampf kamen Einheiten mit Fußsoldaten heran, sie galt es noch zu erledigen. Keiner von ihnen war bislang an der Schlacht beteiligt gewesen, obwohl eine Formation robuster Fußsoldaten oft die beste Verteidigung gegen eine wilde Reiterattacke war.
Attila klammerte sich flach an den Hals seines dahinschießenden Pferdes und hielt sein Schwert wie eine Lanze
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