Der schwarze Krieger
einzutauschen oder zu verwerten. Einige Hunnenkrieger trugen nun geschmiedete Ringpanzerhemden und Wämser, doch die meisten verachteten eine derartige Ausstaffierung, die sie nur behinderte. Auf ihr gehärtetes, aber leichtes Leder ließen sie nichts kommen. Die Frauen brachen von den Rüstungen Teile ab und trugen kleine Bronzeplättchen als Ohrringe oder fügten sie auf Schnüren zu einer Kette zusammen. Die Kinder sammelten eifrig kleine Säckchen voller Silberplättchen, und während die Jungen um ihren Besitz kämpften, erfanden die Mädchen ausgetüftelte Spiele damit.
Es war Nachmittag, als sie das Schlachtfeld verließen. Sie ritten eine Weile und hielten dann an, um zu essen. Einige der Kinder waren so gerissen, Waffen gegen Nahrungsmittel einzutauschen.
Dann wandten sie sich nach Süden. Sie verließen die Ebene, in der sie gekämpft hatten, und ritten in die Hügel zu Füßen der Berge namens Qilian Shan. In einem kalten Tallagerten sie zur Nacht. Um Mitternacht war der Nebel in jede Furche gekrochen und ließ die Pferde mit ihren zusammengebundenen Füßen mehr zittern als vor dem fernen gedämpften Wolfsgeheul. Doch am Feuer in den Zelten durchlebten die Krieger den glorreichen Tag und die Schlacht der vierzig Atemzüge noch einmal bis in alle Einzelheiten. Ihre Herzen brannten noch immer voller Eifer.
12.
Die Berge und der Morgen der Weltgeschichte
Am nächsten Tag löste sich der Nebel langsam in den Sonnenstrahlen auf, die von Osten her zwischen den Berggipfeln einfielen. Erst jetzt erkannten sie, wie hoch die Berge tatsächlich waren. Die Steppenbewohner hatten so etwas noch nie gesehen, obwohl in ihren Legenden davon die Rede war. Die Gipfel verloren sich in turmhohen weißen Wolkenbergen. Es schien Blasphemie, in ihrer Gegenwart auch nur zu atmen.
Es gab auch Täler, in denen die Sonne verweilte und der Schnee diesen falschen Frühling floh. Die Sonnenstrahlen harkten das gelbe Gras, und die wenigen Wildtiere, die es dort gab, galoppierten Warnrufe ausstoßend davon. Man hatte sie in ihrer Winterruhe gestört.
Sie stießen auf ein paar Dörfer, wo das Vieh in den Hütten der Bewohner lebte. Als sie die zweitausend Reiter und die vier- bis fünftausend Frauen und Kinder sich nähern sahen, stockte den Dorfbewohnern der Atem. Doch die Vorbeiziehenden nahmen nichts mit und plünderten sie auch nicht aus. Abends würgten sie halbgekochtes Antilopenfleisch hinunter und fielen dann mit wohlig ächzenden, schmerzenden Mägen in den Schlaf.
In der Nähe eines Dorfes stand ein schmutziges Mädchen an einem grauen Vorsprung oberhalb eines Steilhangs und hütete eine Herde Ziegen mit herabhängenden Ohren. Sie allein sah, wie der riesige Tross in das Tal unter ihr weiterzog, bis er nach einer halben Stunde außer Sichtweite war. AmAbend erzählte das Mädchen seiner Mutter und seinem Vater, es habe am Nachmittag eine Armee gesehen, die so groß war, dass es sie gar nicht hatte zählen können. Die Krieger seien mit Pfeil und Bogen und Speeren bewaffnet undäußerst furchterregend gewesen. Die Eltern sagten zu dem Mädchen, es solle keine derartigen Märchen erzählen. Doch das Kind beharrte darauf, dass es stimmte, und die Eltern schickten es ohne Abendessen ins Bett.
Am nächsten Morgen stieg der Vater hinab ins Tal, um seine Fallen zu kontrollieren, und da sah er die zahllosen Hufabdrücke am oberen Ende des Tals, wo die Armee sich versammelt hatte, um den Pass hinabzugehen. Fassungslos stand er da, taumelte und starrte auf den Boden. Dann packte er den Hasen, den er gefangen hatte, kletterte schnell wieder hinauf ins Dorf und befahl seiner Frau, dem kleinen Mädchen ausnahmsweise ein Ei zum Frühstück zu geben. Er hatte das Gefühl, selbst ein Extraei vertragen zu können. Und er fragte sich, welche Armee da wohl vorbeigezogen war, ohne das Korn, das Fleisch und das Vieh im Dorf zu beanspruchen.
***
Sie stiegen in eine stille, fremde Welt aus weißgezackten Gipfeln und pechschwarzen Tannen hinab, Tannen, so schwarz wie das Öl, das in der choresmischen Wüste aus der Erde sprudelte. Da waren Gletscher, die wie Kleider aus feinstem Perlmutt von stolzen Bergeshöhen herabfielen, und beschneite Klippen, die über ihnen aufragten, während sie sich ihren Weg über halsbrecherische Pfade bahnten. Der Wind blies den Schnee direkt in ihre tränenden Augen. Die Pferde trotteten blind dahin, der Schweiß auf ihren Nacken und Bäuchen gefror sofort zu Eiskristallen.
Sie umrundeten die verharschten,
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