Der schwarze Krieger
vorgereckt. Schon drang die gewundene Spitze direkt in den roten Rachen eines chinesischen Soldaten, der den Mund zum Schrei geöffnet hatte, um auf der anderen Seite des Kiefers wieder herauszukommen. Der Reiter war kaum zu erkennen gewesen.
In einem weiten Bogen hatten Geukchu und Candac ihre Truppen von hinten an die chinesische Nachhut herangeführt, um ihr den Fluchtweg abzuschneiden und die verdutzten, planlos umherlaufenden Fußsoldaten auszulöschen. Ein zweiter Befehl lautete, mindestens zwei erfahrene chinesische Offiziere gefangen zu nehmen. Es dauerte eine Weile, bis Geukchu einen Befehlsgeber entdeckte. Er fing ihn mit einem Lasso ein, es war ein gedrungener chinesischer Hauptmann mit grauem Schnurrbart. Unter harschem Gebrüll zog er ihn vom Schlachtfeld weg, so wie er einen aufbegehrenden Ochsen von der Herde weggezerrt hätte. Dann stand er da, das Schwert an den Hals des Chinesen gelegt. Der Mann, dessen Arme von dem Hanfseil an den Leib gefesselt waren, musste mit grimmigem Gesicht mit ansehen, wie seine Kameraden nicht einmal mehr das Schwert ziehen konnten. Welle um Welle wurden sie abgeschlachtet, wie Sommergras, das unter einem Sensenhieb fällt.
Die Pferde bäumten sich auf und wieherten schrill. Sie warfen ihre Reiter ab und trampelten sie zu Tode, wodurchsie in noch größere Panik gerieten, wie Pferde es tun, wenn sie sehen, dass sie ein lebendiges Wesen getötet haben. Sie prallten seitlich aufeinander, Männer sahen sich zwischen Pferdeleibern eingekeilt, wurden aus ihren verzierten Ledersätteln gerissen, zwischen schwitzenden Pferdeflanken erdrückt, fielen auf die Knie und krabbelten weiter. In einem Anfall von Verzweiflung tasteten sie nach ihren Waffen, stolperten über gefallene Kameraden und glitten in Blutlachen aus, die die kalte Erde bedeckten. Andere, die davonkriechend dem Entsetzlichen entrinnen zu können hofften, wurden durch einen einzigen Lanzenhieb oder einen Pfeil getötet, der wie nebenbei von einem Pferderücken aus abgeschossen worden war.
Die ersten Hunnen hatten begonnen, abzusitzen und sich zu Fuß zu bewegen, um den tödlichen Streich leichter ausführen zu können.
Ein junger Wei-Soldat, ein fünfzehnjähriger Junge, lag mit tauben Beinen, unfähig sich zu bewegen, seitlich im Schnee und starrte über die Ebene. Seine linke Wange begann zu erfrieren. Seine traurigen braunen Augen sahen jedoch nicht die Ebene des Todes vor sich, sondern das Haus seines Vaters. Das Herdfeuer, die Kommode aus Zedernholz für den Reis, die winzigen Schnitzfiguren der Ahnen in ihrer Nische. Draußen der Ententümpel und seine Mutter, die den Enten Korn zuwarf. Die Enten, die ihre langen Hälse begierig reckten. Er spürte, dass jemand hinter ihm stand, und seine Finger bewegten sich, als suchten sie Halt im Schnee, doch er sah immer noch das Dorf mit dem aufsteigenden Rauch aus den Holzfeuern. Sein Zuhause. Kleine Kinder, die in die Hände klatschten. Seine Schwestern, seine Brüder. Seine Mutter, die ihre weiße Schürze ausschüttelte. Der Hund mit heraushängender Zunge, als würde er lachen. Der Goldfinkin seinem Käfig aus Weidenzweigen und die grünen Schatten des Frühlings unter den Weiden.
Der Kopf des Jungen wurde angehoben und dann wieder hingelegt. Seine braunen Augen, die noch immer weit geöffnet auf die schneeweiße Fläche starrten, sahen nichts mehr. Aladar hatte ihm den Skalp abgeschnitten.
Unter dem kostbaren Baldachin, der inmitten des Gemetzels zusammengebrochen und dessen tiefgelbe gewässerte Seide nun an etlichen Stellen rot gesprenkelt und gestreift war, fanden sie einen Wei-Mönch. Er kauerte auf allen vieren.
Attila streckte die Hand aus und zog ihm die seidene Decke weg. Er rollte sie flüchtig zusammen und warf sie Himmel-in-Fetzen zu. «Die erste Kriegsbeute!»
Dann bückte er sich und schüttelte den zu Tode entsetzten Mönch.
«Xioung Nu», murmelte der Mönch, setzte sich auf und sah mit zitternden Lidern zu Attila auf. «Xioung Nu.»
«Hunnu», sagte Attila. «Eure Feinde von alters her.» Doch der Mönch verstand diese harsche, barbarische Sprache nicht, die ganz weit hinten in der Kehle gesprochen wurde. Er sah auf die anderen furchterregenden Krieger, die ihn umstanden. Sie waren schweißnass, manche auch blutüberströmt, und hatten lange schwarze Schnurrbärte. Strähnen ihres langen, ungeschnittenen Haars klebten ihnen auf den rußverschmierten Wangen. Ihre rotgefärbten Schwerter hielten sie noch in der Hand. Er sprach ein stummes
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