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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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tiefer liegenden Hänge eines riesigen Berges, der in ein leuchtendes Rot getaucht war. Als die Sonne unterging, schien sie ein einziger Eiskristall zu sein, über tausend Meter hoch. Ein schrecklicher Abgrund lag rechts von ihnen, niemand wagte hinabzublicken. Sie hielten die Köpfe gesenkt und die Augen nach vorn gerichtet, wie Pferde mit Scheuklappen, als fürchteten sie sich vor dem, was am Wegesrand lag. Plötzlich kippte eines der Gespanne um und schlitterte mit einem tiefen Ächzen seitlich über den eisigen Pfad und zog die beiden Pferde mit sich in die Tiefe. Die Tiere spreizten ihre zottigen Hufe, überrascht, ohne Furcht, ohne zu verstehen. Sie schlitterten immer weiter. Der Wagen mit den chinesischen Infanterie-Schilden rutschte ebenfalls hinab, neigte sich noch ein wenig zur Seite und stürzte dann schweigend in den stillen Abgrund, mitsamt den Pferden. Vorsichtig lugten die Menschen über die Kante und sahen das Gespann lautlos in die Schlucht fallen, die Räder drehten sich langsam, und die Hufe der Pferde traten ins Leere, die chinesischen Schilde in ihrem kräftigen Rot und Gold hüllten sie wie eine glitzernde Wolke ein. Kein Ton begleitete ihren Fall, kein Stöhnen. Nur der Wind seufzte aus dem allmählich dunkel werdenden Abgrund herauf. Starr standen die Männer und Frauen oben, warteten auf ein Geräusch, irgendeines, doch es kam keines. Das Schweigen war das einzige Echo, und der sanfte, unablässig blasende Wind.
    Bald konnten die Wagen, die Packpferde und viele der ganz Jungen und sehr Alten nicht mehr weiter. Attila teilte seine Männer auf und schickte alle Frauen und Kinder und die alten Männer sowie die verbliebenen Wagen unter der Eskorte von Juchi, Bela und Noyan und ihrer achthundert Mann starken Truppe ins Tal zurück. Die drei Brüder blickten finster drein,sagten aber nichts. Attila gab ihnen Anweisung, wo sie das Lager aufschlagen sollten. Die zwölfhundert berittenen Krieger setzten ihren Weg fort.
    Sie sahen zwei Bussarde hoch oben am blauen Himmel, die schräg herabstürzten und sich dann gegen den Wind aufrichteten. Zu zweit herrschten sie über das ganze Tal, einsam und sehnsuchtsvoll klang ihr Schrei, wie der einer Möwe. Dies waren die einzigen Lebewesen, die sie im Laufe von drei Tagen sahen. Hier lag kein Schnee, es wehte kein Wind, und nachts funkelten unzählige Sterne am klaren Himmel. Doch jeder, der so töricht war, nach draußen zu gehen und die Sterne zu betrachten, büßte bald Ohren und Finger ein.
    Es herrschte eine derartige Kälte, dass die kleinen Schläuche mit chinesischem Wein, die sie seit der Schlacht dabeihatten, zu klebrigem Sirup geronnen waren. Man hätte ihn wie Honig essen können, nur wäre einem die Zunge daran festgefroren. Sie stiegen wieder zur Baumgrenze hinab, doch dort war es auch nicht wärmer. Als sie weiterritten, explodierten einige Bäume mit einem Krachen, als hätte ein Riese die Peitsche geschwungen. Eines der Pferde bäumte sich erschrocken auf, kam wieder auf und brach sich ein Bein. Die Knochen brachen in dieser Kälte wie dünnes Eis. Selbst Felsen brachen auseinander, und wenn sie Feuerholz klein hackten, sprangen blaue Funken empor, als hätten sie auf Eisen geschlagen. Die ausgeatmete Luft fiel mit einem kristallenen Flüstern auf die Erde. Sie staunten und fürchteten sich insgeheim, wie seltsam die Welt hier war.
    Es war Irrsinn, in dieser Eiseskälte weiterzureiten. Schon ritten einige Männer zu zweit auf einem Pferd, da sie so viele Tiere verloren hatten, und die ersten Männer hatten Finger eingebüßt. Doch es war noch unmöglicher umzukehren. Vor ihnen, so schärfte ihnen ihr unbarmherziger Anführeran der Spitze des Zuges ein, lag ein Bergkönigreich, das bald das Ihre sein würde.
    Sie kamen zu einem Kiesplateau, das von schmutzig grauem Eis bedeckt und von niedrigen Felsgraten und Sand- und Lössresten durchzogen war. Vor langer Zeit, als die Tage wärmer und die Götter freundlicher gestimmt waren, hatte ein verschwundener Fluss sein Bett dort gegraben und Felsen von der Größe von Grabsteinen beiseitegeschoben. Oder war es gar ein Fluss aus Eis gewesen? Vielleicht hatte nur er diese großen Felsblöcke aus dem Weg räumen können. Die Krieger staunten und erschauderten. In ihren Träumen sahen sie jedoch eine Ebene, wie sie sie sich vorstellten. Nur eine dünne Schicht Eis bedeckte den mitternachtsblauen Fluss, Vögel riefen, eine Rohrdommel klammerte sich ans Schilf, eine Brise wehte sanft durch das Gras in der

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