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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Schneeresten bedeckte Hügel wieder aufstiegen. Die Pferde warenmüde, und sie ritten langsam. Das letzte Stück kletterten sie über steinige Pfade und blanke Felsblöcke hinauf. Jetzt sahen sie das Tal hinter sich, mit vereinzelten Lagerfeuern. Der Himmel über ihnen war mit Silbersternen und der hellen Münze des Mondes gesprenkelt, es war windstill. Man hätte fast behaupten können, es wäre mild.
    Schließlich kletterte Attila einen weiteren Felsrücken hinauf und blieb oben stehen, die Auserwählten und der Häuptling der Kutriguren folgten ihm. Himmel-in-Fetzen stockte der Atem. Lag er noch immer in seinem Zelt und träumte? Dies konnte nicht wahr sein.
    Unter ihnen fielen die Berge erneut ab, und dort unten, unter dem Baldachin der Nacht, erstreckte sich ein weiteres offenes Tal, erneut umgeben von Bergen, ganz fern der Welt. Im silbernen Mondlicht konnte er es ganz genau sehen. Das breite Tal zog sich von Osten nach Westen, wohl an die zwanzig Meilen lang; ein silberglänzender Fluss schlängelte sich hindurch. Das Erstaunlichste war jedoch die Bergwand gegenüber, etwa fünf Meilen entfernt. Die Wand, beinahe vollkommen steil und in Mondlicht gebadet, war ebenfalls von Sternen übersät, roten und orangen Sternen, wie Feuer. Als er die Augen zusammenkniff, glaubte Himmel-in-Fetzen beinahe, er erkenne dort   …
    «Das kann nicht sein», sagte er.
    Attila wandte sich zu ihm um. Seine Zähne schimmerten weiß im Mondlicht. «Das Tal von Oroncha, das Königreich des Gottkönigs Tokuz-Ok, genannt Neun-Bogen.» Er zeigte noch mehr von seinen schimmernden Zähnen. «Ein weit kriegerischerer Name, als der Ort es verdiente   …»
    Himmel-in-Fetzen schnappte nach Luft. «Woher weißt du das? Du warst noch nie hier! Das ist nicht möglich!»
    Attila gab keine Antwort. «Ich weiß auch, dass das Königreichvon Tokuz-Ok ein großes Königreich ist. Die Bewohner von Oroncha sind sehr zahlreich. Du weißt ja, wie Bauern züchten können. Schau dir dieses Tal morgen bei Tageslicht an, und du wirst ein üppiges, wasserreiches Tal voller Obstgärten, Kornfelder, Wiesen und Weideland vorfinden. Viele, viele tausend Menschen leben hier. Das Heer ist groß.»
    «Das Heer?», knurrte eine missmutige Stimme hinter seinem Rücken. «Ein Heer von Bauern? Gelenkt von ihren Weibern, mit Hacken und Mistgabeln bewaffnet?»
    Das war natürlich Chanat.
    «Ein Heer, zwanzigtausend Mann stark», sagte Attila. «Möglich wäre es. Und die Bergwand dort gegenüber mit ihren vielen Feuern, die ihr nicht für echt haltet? Das ist ihre Stadt. Sie klammert sich wie ein Rabennest an die Steilwand und ist vollkommen sicher. Den ganzen Tag über wärmt die Sonne sie, niemals spürt sie den Nordwind. Ebenso heizt sich auch das ganze Tal auf, die Berge sind sein Windschutz. Keine Armee könnte diese Stadt je einnehmen – es sei denn, sie flöge auf Adlern heran.»
    Himmel-in-Fetzen spürte, wie ihn unfreiwillig eine Welle der Erregung überkam. Ein Heer von Bauern und doch ein Heer, das zwanzigtausend Mann stark war! Wenn sie über eine derartige Armee herrschten, war ihre Macht grenzenlos. Dieser Banditenkönig, dieser Attila, was für ein Machtinstinkt und eine messerscharfe Intelligenz, was für eine Siegesgewissheit! Himmel-in-Fetzen schmeckte den Sieg bereits wie Honig auf der Zunge.
    «Wie können wir dieses Königreich erobern?»
    Attila wendete bereits sein Pferd und trat den Rückweg an. «Wo Stärke nichts vermag», war seine Stimme aus der Dunkelheit zu hören, «tritt die List auf den Plan.»

13.
Das Bergkönigreich des syphilitischen Gottkönigs
    Im Morgengrauen machte sich Attila allein auf zum Königreich des Gottkönigs.
    Er ritt ohne Waffen und ganz gemächlich. Er kam von den Bergen herab, ritt dann über die grasbewachsenen Hänge mit den Schneeresten, als die aufgehende Sonne von Osten her über die Berggipfel kletterte und das Tal erwärmte, wie er es vorausgesehen hatte.
    Die grünen Hügel flachten ab, und er kam an Obstgärten und Weideland vorbei, an kleinen Ansammlungen reetgedeckter Hütten, vor denen auf breiten Brettern abgedeckte Bienenstöcke standen. Leute blieben stehen und schauten ihn an, doch niemand stellte sich ihm in den Weg. Das Land war von kleinen silbernen Bächen durchzogen, Wasserräder klapperten neben Kressebeeten. Diese friedliche, in sich ruhende Existenz erinnerte ihn an seine Zeit in Italien vor so vielen Jahren. Wie konnten die Leute ihr ganzes Leben in einem einzigen Tal verbringen?

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