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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Verhöhnten sie damit nicht den Rest der von Gott erschaffenen Welt?
    Es waren bereits viele Menschen auf den Feldern zugange, andere erhoben sich von ihrer Schlafstätte, um den fremden Reiter in seinem langen Mantel und mit der seltsamen, spitz zulaufenden Mütze zu sehen. Bauern spannten die Ochsen ins Joch, Hausfrauen streuten Holzasche auf das Wintergemüse in ihrem Garten und schürten das nur noch schwach glimmende Feuer im Herd. Kinder trieben Gänse hinunter zum Fluss, und alte Männer saßen in Decken gehüllt mit feuchtenAugen auf den Stufen am Eingang. Sie tranken heißen Tee aus Tongefäßen. Überall waren Menschen, dicht gedrängt, wie Korn, das reif zur Ernte ist.
    Nach einem langsamen Ritt durch das reiche Ackerland türmten sich die Berge vor ihm auf, dunkel und bedrohlich. Er kam auf einen verlassenen Pfad, der zu einem großen Tor führte. Das Tor war offen, und die Straße machte eine Kurve nach der anderen, von einem Vorsprung zum nächsten führend. Hier war die Wohngegend der Reichen, hier standen die Tempel der Priester, die Klöster der Mönche, und über alldem thronte der Palast des Gottkönigs selbst.
    Der Friede in dieser Bergstadt belustigte ihn. Mönche mit kahlgeschorenem Schädel in rostbraunen Gewändern blieben stehen und verbeugten sich, bevor sie davonhuschten. Frauen mit schweren Körben auf dem Kopf blieben ebenfalls stehen und rissen den Mund auf, dann wandten sie den Blick ab und eilten weiter. Nur oben am Ende der Straße, an einem weiteren breiten Tor, das von zwei grauen Steintürmen flankiert war, traten zwei Wachposten vor und versperrten ihm mit ihren Lanzen den Weg. Wohin er wolle, fragten sie ihn. Dies war eindeutig keine Stadt, die an Krieg gewöhnt war.
    Er blieb stehen und betrachtete sie. Chagelghan verlieh seinem Unmut über die harten, von Menschenhand geschaffenen Steine unter seinen Füßen Ausdruck, indem er ganz unbefangen seine Äpfel auf sie kullern ließ.
    «Ich erbitte eine Audienz beim König», sagte Attila.
    Die Männer machten ihm höflich und ausführlich klar, dass dies nicht möglich sei.
    «Ich hatte einen Traum von neun Bogen», sagte Attila, «und dann von einem zehnten, der im Flug alle anderen neun zerbrach.»
    Die Männer stammelten und schauten einander verwirrt an, woraufhin einer von ihnen zu ihrem Leutnant rannte. Der Leutnant lugte aus einer kleinen Nische hervor und schickte dann den Wachposten den steilen Hügel hinauf zu einer höheren Autorität. Und so, indem er Stufe um Stufe auf der bürokratischen Leiter emporkletterte, drang dieser seltsame gelbäugige Nomade immer tiefer in die Stadt ein, vorbei an wunderbar geschnitzten und bemalten Tempeln, aus denen Weihrauch und das Klingeln winziger Glöckchen in die stille Morgenluft drangen. Schließlich baten sie ihn mit dem größten Respekt abzusteigen und geleiteten ihn durch ein kleines, reichverziertes Steinportal.
    Dahinter lag eine überdachte Terrasse, die nach Süden auf das Tal hinausging. Die Aussicht war großartig. Attila wandte ihr den Rücken zu, lehnte sich gegen die Balustrade, verschränkte die Arme und wartete. Wer herrschte über diesen Blick? Wem gehörte er?
    «Ein Traum, sagst du? Nun gut», sagte eine hohe, aufgeregte Stimme. Durch einen Torbogen auf der anderen Seite der Terrasse schritt ein großer Mann in einem langen Gewand. Sein rundes Gesicht strahlte rötlich, seine Nase war an den Nasenlöchern wie zerfressen. Als seltsamen Kopfputz trug er eine mit Blattgold verzierte Krone, deren Zacken seinen Kopf waagerecht umstanden. Beim Durchschreiten der Tür war sie verrutscht, und nun blieb er stehen, um sie gerade zu richten. «Schön, schön», sagte er.
    Hinter dem syphilitischen Gottkönig folgte eine ganz anders geartete Persönlichkeit, ein kleiner, stämmiger weißhaariger General. Er mochte wohl an die sechzig Jahre alt sein und trug keine Waffen, dafür aber ein richtiges Kettenhemd. Seine Nase war ganz flach und offenbar gebrochen, von der Pest oder sonst einer Krankheit schien sie jedoch unberührt.Sein langer weißer Schnurrbart war sorgfältig gekämmt, der Blick klar und fest. Er stand unter dem Türrahmen und ließ den Besucher nicht aus den Augen.
    Der Gottkönig hob den Saum seines Gewands an und entblößte kleine Füße, die in Ziegenlederpantoffeln steckten. So tippelte er auf den Besucher zu. Er lächelte. Die wenigen Zähne, die ihm noch geblieben waren, waren in schlechtem Zustand: graue Stummel, die sich wie betrunken aneinanderlehnten.

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