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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Ferne, lauter Lebewesen bewegten sich – es war einfach wunderschön.
    Jetzt aber war dies die denkbar freudloseste Gegend, öde und leblos, und die Stimmung unter den Kriegern sank auf einen absoluten Tiefpunkt. Die graue Ebene kannte kein Erbarmen, wie ein Messer schnitt der Wind durch Umhänge aus Bären- und Wolfsfell, durch lange, gegürtete wattierte Gewänder und durch das Fell der Pferde. Die Rippen der Pferde hoben und senkten sich, schwer ging ihnen der Atem, dünn spannte sich die Haut über ihre abgemagerten Leiber. Hier wuchs kein Gras. Es war schwer vorstellbar, dass in dieser gottverlassenen Gegend je Gras gewachsen war. Es gab nur wenig Futter, und das wenige ging bald zur Neige. Zweitausend Pferde können im Winter so schnell sterben wie Fliegen, wenn sie nichts zu fressen bekommen.
    In jener Nacht, als sie in der bitteren Kälte das Nachtlager aufgeschlagen hatten, die Zelte nach Süden gekehrt, wo tagsüber milchig die Sonne schien und trügerische Hoffnungennährte, kamen Attilas Auserwählte, Himmel-in-Fetzen und einige der Häuptlinge der Kutriguren bei Attila in dessen bescheidenem Zelt zusammen. Sie berichteten, dass die Krieger allmählich den Glauben an die Sache verloren. So konnten sie nicht weiterziehen.
    Der König sagte nichts. Stattdessen tauchte Kleiner Vogel ungebeten dicht neben ihm auf und begann zu singen. Seine alte, gesprungene Laute klang süß, und seine Stimme war leise und tief. Er sang davon, wie in den alten Tagen ein blauer Wolf und ein falbenfarbenes Reh von jenseits der grauen See kamen, am unschuldigen Morgen der Weltgeschichte, und wie sie sich an den Hängen des Burkhan Khaldun, des heiligen Bergs, an der Quelle des Ononflusses paarten. Bald darauf schenkte das Reh einem Menschenkind das Leben. Tengri, der Herr der Sonne, und Itugen, die Herrscherin des Mondes, schienen bei seiner Geburt gemeinsam vom Himmel wie zwei Lichter von gleicher glückbringender Stärke. Das unter Sonne und Mond geborene Kind war Astur, der allmächtige Vater, der Mann und Frau erschuf.
    Es war die älteste Geschichte des Volkes, und in der bitteren Nacht dort auf dem trostlosen Plateau vergaßen die Häuptlinge und Anführer ihre Beschwerden, rückten näher ans Feuer und hörten mit halbgeschlossenen Augen zu.
    Der Götterspross Astur lachte vor Vergnügen und formte aus feuchtem Ton kleine Figuren, den ersten Magier Batacaqican und Tarkan, den Mächtigen, und dann Manas, den großen Helden. Er gab Manas ein Pferd, das eines Helden würdig war, mit Beinen aus Bronze und Hufen von der Größe eines niedergebrannten Lagerfeuers. Das Pferd hatte Augen wie ein Rabe, seine Muskeln schlängelten sich flussgleich, es fraß Kornblumen, Küchenschellen und nur das süßeste Frühlingsgras. Nachdem Manas in der großen Schlacht gegen dieEisriesen gefallen war, trug sein Pferd seine Frau, Kanikei, und ihren kleinen Jungen, Semetai, im Galopp durch die sternfunkelnde Nacht zu den Ebenen des Überflusses. Dort wuchs Semetai auf, um der weiseste aller Könige der Völker zu werden.
    Kleiner Vogel verstummte. Die Häuptlinge und ihr oberster Anführer nickten, während der Kopf ihnen auf die Brust fiel und sie einschliefen.
    Am nächsten Tag ritten sie weiter, sie stiegen von der bitterkalten Ebene wieder hinauf in die Berge. Nach einem langen Tagesritt, als am späten Nachmittag die Sonnenstrahlen ganz flach von Westen her einfielen, spürten sie, wie ihre Knochen wärmer wurden. Das Hochplateau lag weit hinter ihnen, und irgendwie speicherten die Berge die Wärme hier besser, zudem schotteten sie gegen den Norden ab. Sie erklommen einen Felsrücken, und dort vor ihnen, keine halbe Meile entfernt, lag ein weites, flaches Tal mit üppigem Wintergras. Die Pferde rissen sich selbst von den kräftigsten Reitern los und grasten es bis auf die gelben Wurzeln ab.
    Hier schlugen sie ihr Nachtlager auf.
    Als es dunkel geworden war, ging Attila zu Himmel-in-Fetzen und rüttelte ihn wach. Der Häuptling beklagte sich bitterlich, doch der unnachgiebige König sagte ihm, es gebe etwas, was er ihm zeigen müsse. Himmel-in-Fetzen hüllte sich in seinen dicken Mantel und schwankte nach draußen. Dort sah er, dass die anderen Auserwählten bereits aufsaßen und auf ihn warteten. Er schwang sich auf sein Pferd, und sie ritten nach Norden über die Grasebene hinweg, bis das Lager weit hinter ihnen lag.
    Beinahe eine Stunde ritten sie so, bevor sie auf der anderen Seite des schmalen Tals über niedrige grüne, mit

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