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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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der je gelebt hat.
    Doch der Frühling kam unaufhaltsam mit jedem Tag, den sie weiter westlich zogen. So entwanden sie sich den eisernenKlauen Skythiens und gelangten zu den reichen Weidegründen in der Nähe des Schwarzmeers. Sie ritten durch langes, feuchtes Gras am Waldrand, taufeuchte Bitterkresse streifte dabei die Fesseln ihrer Pferde. Sie kamen durch Gegenden mit sanften braunäugigen Waldmenschen, die sich mit den Kieferknochen von Hechten Tätowierungen in die Haut ritzten, Zeichnungen voller Wellen und Spiralen. Diese lebten in Zelten, die mit Baumrinde bedeckt waren, erzählte Kleiner Vogel, der Weise, obwohl ihm nur die Kinder glaubten. Die Erwachsenen spotteten und lachten, als sie hörten, wie der kleine Schamane von den Waldbewohnern erzählte, die Moos aßen und im Winter auf gesattelten Rentieren durch den Schnee ritten. Noch weiter nördlich, behauptete er, gäbe es sogar Menschen, die Robben mit obsidianbesetzten Speeren jagten, Hütten aus Eis bauten und Walfischrippen als Dach benutzten.
    Die Flussufer waren willkommene Rastplätze für die Hunnen, hier konnten sie die Pferde unter den breitblättrigen Pappeln tränken. Dieser Landstrich war so mild und freundlich, so voller Vogelgesang, dass er ihnen wie ein königlicher Park für die Jagd vorkam. Manchmal konnten sie einen flüchtigen Blick auf die Waldbewohner werfen, die sie, eine Horde höllischer Reiter, bis an die Zähne bewaffnet, die Augen so unruhig wie die von hungrigen Wölfen, seit langem zwischen den Bäumen hindurch verfolgten. Die Waldmenschen in ihren Gewändern aus Vogelbalg hatten das eine Weile mit großen traurigen Augen beobachtet, dann hatten sie sich mit ihren kleinen Ruderbooten und blattförmigen Kanus in Sicherheit gebracht. Schweigend waren sie tief im endlosen Wald verschwunden.
    Hellgrüne Frühlingszwiebeln schossen aus dem Boden, unter den Pferdehufen stieg das Aroma von Wildem Thymianauf. Durch das grüne, flache Gras flossen Bäche von Schmelzwasser, still und wie gepolstert lag es da. Die Welt war so frisch und jung, als wäre sie in der Nacht von den unsichtbaren Händen des einen Vaters neu erschaffen worden. Die Freude von Nomaden und Wandervölkern über den Frühling nach einem langen, bitteren Winter ist unbeschreiblich. Sie kennen nicht die Geborgenheit von Steinhäusern mit beheizten Fußböden. Vor der Kälte schützen sie nur ein Feuer aus Dung und eine Decke aus Pferdehaaren.
    Nun brannte ihnen das Herz im Leib wie einem jungen Falken, sie barsten förmlich vor Liebe zur Natur. Eines Tages überraschten sie einen Braunbären, der aus den Wäldern getollt kam. Als sie ihn mit dem Speer getötet, auf die Seite gerollt und zum Geist von Kleine Schwester gebetet hatten, damit sie ihnen vergebe, stellten sie fest, dass es eine Bärin war. In ihren Zitzen fanden sie Milch. Sie hatte ihre Kleinen unterm Moos versteckt, wissend, dass sie an dem Tag würde sterben müssen. Sie suchten nach ihnen, fanden sie auch und töteten sie ebenfalls. Ihr Pelz war so ein wunderbares Geschenk für ein hübsches Mädchen. Eines der Bärenjungen hatte eine feuchte Nase, große Augen und riesige weiche Tatzen, also ließen sie es am Leben und nahmen es mit. Mit dem Fleisch der getöteten Bären in den Packtaschen zogen sie weiter. Kleiner Vogel trug das Junge im Schoß, wenn es müde wurde, und das Kleine schlief bei ihm ein. Zum Dank urinierte es dann ausgiebig auf ihn.
    «Erzähl mir von Rom», sagte Himmel-in-Fetzen am Abend, als er auf dem Rücken lag und das üppige Mahl aus Bärenfleisch am Feuer verdaute. Er rülpste und rieb sich den gewölbten Bauch.
    Attila saß im Schneidersitz da und starrte ins Feuer. Dann sagte er langsam und leise:
    Der Herr der Herren aus Palästina
    Schweißte einst zwei Reiche zusammen.
    Ein Schreckensherrscher aus dem Osten
    Wird sie zum Untergang verdammen.
    Trotz seines grummelnden Bauches setzte Himmel-in-Fetzen sich auf und stützte sich auf den Ellbogen. «Was heißt das?»
    «Dies ist eine Prophezeiung, eine römische Prophezeiung. Die ersten Zeilen beziehen sich auf diesen Eiferer, den Juden, den sie Christus nennen, den König der Könige. Er schmiedete Himmel und Hölle zusammen. Im Römischen Reich ist er ihr Gott.»
    «Ist er ein großer Krieger?»
    «Er predigt den Frieden. Das heißt, er predigte. Jetzt ist er tot, obwohl sie glauben, dass er noch lebt.»
    «Im Himmel?»
    «Im Himmel. Palästina ist   … ein Land in der Wüste weit im Süden. Der Stamm dort heißt Juden. Nun

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