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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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zu, die am Fluss Wäsche wuschen, den Kindern, die in den schwarzen Tümpeln mit Netzen nach Elritzen fischten. Und auch, ein Stück weiter, dem
manaschi
in seinem Umhang aus dunkelblauem goldbesticktem Samt. Er stand unter den kahlen Pfirsichbäumen in den Obstgärten und rezitierte endlos heilige Gesänge.

14.
Bayan-Kasgar
    Zwei lange Tage warteten die Hunnen, nichts geschah. Allmählich wurden sie ungeduldig. Im Morgengrauen des zweiten Tages bekamen sie Besuch, wenn auch anderen als den erwarteten.
    Als sie an diesem Morgen aufstanden, sahen sie am Rande des Lagers einen verwegenen Mann mit hellwachem Blick, der mit seiner Frau und seinen beiden Kindern auf einem Eselskarren saß. Auf dem Gefährt türmten sich Säcke mit Brotlaiben und Äpfeln, Käse, einfache Tongefäße und Krüge. Es war ein Mann aus dem Tal, der gehört hatte, dass sie hier lagerten. Er wollte die Gelegenheit nutzen und ein wenig Handel treiben.
    Ein paar Kutriguren ritten auf sie zu, um ihnen die Kehle durchzuschneiden und die Vorräte an sich zu nehmen. Orestes sah, was sie vorhatten, sprengte hinüber und vertrieb sie, so sehr hatte ihn der Mann mit seinem unbezähmbaren Kaufmannsgeist, aber auch seinem tollkühnen Mut beeindruckt.
    «Freunde, ja?», rief der kleine Kaufmann ihnen zu und nickte eifrig. «Ich euch gute Dinge bringen!» Und dabei rieb er sich den Bauch.
    «Bauern», grunzte Chanat verächtlich und lenkte sein Pferd neben dasjenige von Orestes, «die uns Nahrungsmittel verkaufen wollen. Kaufleute.» Er räusperte sich und spuckte genüsslich aus. «Münzensammler, Spatenschwinger mit Dreck unter den Fingernägeln. Immer sitzen sie hinter dem Ofen, tragen ihre Bälger im Sack mit sich herum, haben einenMisthaufen vor der Tür und Kacke auf der Türschwelle, während sie zählen, wie viel   …»
    Angesichts dieses ungewöhnlichen poetischen Wortschwalls konnte Orestes ein Lachen nicht unterdrücken. Dann ritt er zu dem Bauern hin, kaufte ein paar Waren und bezahlte mit Münzen aus chinesischem Silber.
    «Brot?», höhnte Chanat, als er zurückkam. «Brot? Ein Mann, der Brot isst, ist aus Brot gemacht – und genau so zerbröckelt er auch!»
    Orestes ließ es sich schmecken. «Köstlich!», mampfte er. «Erinnert mich an meine Kindheit.» Chanats abfälliger Aufschrei brachte ihn so sehr zum Lachen, dass er dem alten Krieger die verachteten Brotkrumen ins Gesicht streute.
    Der Bauer und seine Familie wurden zu Attila gebracht. Vorsichtig kletterte der Bauer von seinem Karren und verneigte sich tief vor dem König.
    Attila forderte ihn auf, sich wieder aufzurichten. «Du bist kühn!»
    «Kühner Mann schafft Gold heran», zwitscherte der kleine Mann fröhlich. «Wer nicht riskiert, zu oft verliert!» Er wandte sich um und kramte in seinem Eselskarren. Seine Frau seufzte, fand, wonach er suchte, und reichte es ihm. Er gab es dem Nomadenkönig. Es war zuckriges, widerlich klebriges Zeug, Aprikosen oder etwas Ähnliches. Attila bedankte sich, dann reichte er das Gefäß an Orestes weiter.
    «Früchte aus dem Wald», sagte der Bauer. «Sehr gefährlich, sie zu sammeln!»
    «Wieso das?»
    «Im Wald leben Bären.»
    «Und andere Stämme?»
    «Die Chinchin!», rief der kleine Mann aus.
    Attila wartete geduldig.
    Die Chinchin, erklärte er, seien ein nur sechzig Zentimeter großes Volk, das am ganzen Körper stark behaart sei. «Sie können die Knie nicht beugen und bewegen sich in kleinen Sprüngen vorwärts, mit zusammengepressten Beinen. Etwa so», sagte der Kaufmann und demonstrierte die Gangart der Chinchin gleich selbst.
    «Wir jagen sie, indem wir süße Früchte» – er deutete auf das Gefäß, das er Attila gegeben hatte – «als Köder auslegen, oder ihnen auch Wein zwischen den Bäumen hinstellen. Sie werden betrunken und fiepen nur noch ‹Chinchin! Chinchin!›. Dann schlafen sie ein. Wir stecken sie in Säcke und bringen sie nach Hause, um sie zu kochen. Ihr Fleisch ist sehr gut!» Er rieb sich den Bauch, nickte heftig und lächelte.
    «Hast du diese wundersamen Menschen selbst gesehen?»
    «O ja!», versicherte ihm der Mann.
    «Und sie auch gegessen?»
    «O ja. Köstlich!» Jetzt klang er schon nicht mehr ganz so überzeugt. Seine Frau schaute zur Seite.
    Attila machte einen Schritt auf ihn zu. «Du hast sie selbst gejagt und verspeist?»
    «Na ja   …», sagte der Feinschmecker aus dem Volk von Oronchan. Er seufzte. «Nein, ehrlich gesagt nicht. Zumindest nicht ich selbst. Aber es ist eine der Legenden unseres

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