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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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«Oh, mein einfältiger Bruder, du wirst uns mit deinen Plänen und Ränken aufs Beste unterhalten!» Er wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Auge. Wie sehr er sich darauf freute, der Vorbereitung zu dieser Verschwörung zuzusehen. Wie herrlich, die Machenschaften seines Bruders auszukundschaften, der so tollpatschig wie ein Kamel in einem Basar war! Wie erregend, dieses Wissen und diese Macht auszukosten. Zu warten und den Tölpel dann zu überrumpeln und ihm wegen seiner irrsinnigen Unverfrorenheit die Glieder abzuhacken!
    «Halte mich bitte auf dem Laufenden», sagte er, als sein Lachen endlich verebbt war.
    «Sollten wir nicht jemanden beauftragen, den Boten zu töten?»
    «Nein», sagte Attila. «Ganz im Gegenteil. Das Reich soll die Nachricht von meiner Rückkehr ruhig auf diese Weise erfahren.»
    «Das Reich?» Orestes sprach das Wort mit leisem Erstaunen aus, als hätte er es in den dreißig Jahren der Wanderschaft vergessen.
    «Das Reich», wiederholte Attila. Als hätte er wiederum das Wort und was es meinte nicht eine Sekunde lang vergessen. Kein winziges bisschen davon. «Rom.»
    ***
    Den ganzen Tag über ritten sie in scharfem Tempo. Nach Einbruch der Dunkelheit schlugen sie einige Meilen landeinwärts von den Sümpfen und den Moskitos ihr Lager auf. Sie kauten gepökeltes Fleisch und tranken schwach gegorene Stutenmilch, dann legten sie sich zum Schlafen auf denBoden und schlüpften unter ihre Pferdedecken. Jeder von ihnen wachte in den trüben Morgenstunden auf, um die Decken noch enger um sich zu schlingen. Doch die Feuchtigkeit kroch ihnen unaufhaltsam von der dunklen Erde in ihre Glieder und gab ihnen eine erste Ahnung davon, dass der eisige Winter bevorstand.
    Als sich das silbrig weiße Licht der Morgendämmerung ausbreitete, weckte Attila seine Gefährten. Auf den Pferden übten sie erneut gemeinsam Bogenschießen, aus dem Stand und in vollem Galopp.
    Schweigend ritten sie den ganzen zweiten Tag lang gen Osten, einem Schwarm Wildgänse gleichend. Die Adler hoch in den Lüften sahen ein winziges schwarzes V mit dem geheimnisvollen König an der Spitze, das sich langsam über die unendliche Ebene bewegte.
    Einmal sahen die Männer die Staubwolke einer Herde Saigaantilopen in weiter Ferne, oder ein Bussard flog auf sie zu und strich so nahe an ihnen vorbei, dass sie seine bernsteinfarbenen Augen sehen konnten, bevor er weiterglitt. Sie schreckten einen Wiedehopf in dem langen Federgras zu Füßen ihrer Pferde auf, und auf einer mit niedrigem Stoppelgras bewachsenen Anhöhe zu ihrer Linken sahen sie einen Präriehund, der auf seinen Hinterbeinen sitzend zu ihnen herüberblickte. Noch bevor sie einen Pfeil einnocken konnten, verschwand er im Boden. Beim bloßen Gedanken an nur ein paar Bissen seines dunklen, öligen Fleisches fluchten sie still in sich hinein. Andere Tiere begegneten ihnen nicht. Am dritten Tag kämpften sie sich durch dorniges Dickicht zu einem brackigen Tümpel inmitten der Sümpfe vor, der von Salweiden und morschen Erlen halb verborgen dalag. Sie banden ihre Pferde an und warteten.
    Zwei Tagesritte von zu Hause entfernt, weit draußen inder Ebene. Hier, an einem von Mücken umtanzten Tümpel, warteten sie nun auf die Herden, um sich mit gezückten Messern auf wehrlose Hufe zu stürzen. Doch sie hatten kein Glück. Nichts, nicht einmal der Schatten eines Vogels, geschweige denn eine Herde zeigte sich.
    Dies war schon die dritte Nacht. Sie zogen sich in eine Mulde zurück und machten Feuer. Der Wind, schneidend wie im Winter, hatte ihren Blick getrübt. Nun brach sich die Wärme des Feuers an ihren eisigen Augen. Ihre Herzen züngelten und flackerten schwach wie die Flammen im Wind, der über die Bodensenke wehte, als sie bemerkten, dass ihr König fort war. Er war draußen in der Ebene. Allein stand er da, den Kopf in den Nacken gelegt, die Arme weit ausgebreitet, und murmelte Worte im Mondlicht. Dann war er nicht mehr zu sehen.
    Die Nacht war still, der Wind ebbte ab. Die Sterne funkelten. Die ganze Welt rührte sich nicht mehr. Der Kopf wurde ihnen schwer, sie träumten ein Lied vom Tod. Schließlich trat ein zitterndes Reh in den Feuerschein, und sie töteten es, um ihrem Gott und ihren Bäuchen Genüge zu tun.
    ***
    Am nächsten Tag ritten sie durch langes trockenes Gras, bleich wie Heu. Gegen Abend erreichten sie niedrige Bitterspat-Hügel und durchquerten ein flaches Tal, um schließlich auf eine grüne Anhöhe zu gelangen. In der Dämmerung erkannten sie den

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