Der schwarze Krieger
Kaiser nun einmal göttlich war, hatte er vielleicht das Gefühl, nur eine andere Person von kaiserlichem Geblüt sei geeignet, sein Bett zu teilen. Außerdem gab es so viele Verschwörer, die ihm nach dem Leben trachteten, da schien es möglicherweise das Sicherste zu sein, sich mit seinesgleichen ins Bett zu legen. Allerdings stammten die Verschwörer oft genug aus der eigenen Familie; Inzest aus Sicherheitsgründen war daher ganz und gar nicht ratsam.
Galla war durchaus in der Lage, sich gegen andere zur Wehr zu setzen. Bei ihrem eigenen Bruder jedoch war sie machtlos.
***
Damals hielt sich am Hof ein junger, an die fünfundzwanzig Jahre alter Kavallerieoffizier auf, der älteste Sohn eines mittlerweile verstorbenen, angesehenen Kavalleriegenerals namens Gaudentius, der an der Donaugrenze stationiert gewesen war. Er war groß, hatte schlanke Glieder und warvon einer für sein Alter ungewöhnlichen Ernsthaftigkeit. Erstaunlich schnell war der junge Offizier, Befehlshaber eines achtzig Mann starken Kavallerieflügels, zum Legionstribunen und dann zum Legaten avanciert. Er hatte keinen einzigen Fehler auf dem Feld begangen und auch, was noch wichtiger war, keinen bei Hof, wo Politik und Soldatentum einander so gefährlich nahe kamen und sich vermischten. Nachdem er eine Reihe von bedrohlichen Angriffen von Barbarenstämmen im römischen Grenzland abgewehrt hatte, wurde er in den Rang eines Generals erhoben. Er war der jüngste General seit zweihundert Jahren.
General Aëtius.
Aëtius wurde in allen Stadtvierteln gepriesen und respektiert. Es hieß, er würde eher sterben als wortbrüchig werden. Gab er ein Versprechen, war es ebenso unzerbrechlich wie die Kette, die den Hafen von Konstantinopel in Kriegszeiten abriegelte.
Er sah aus wie ein Apoll, war aber so zäh wie Sattelleder, und wie Caesar marschierte, ritt und schlief er stets mit seinen Männern zusammen, wofür ihn diese verehrten. Wenn es in Strömen regnete oder auf den Passhöhen der Alpen im Frühjahr oder Herbst hagelte und die meisten Generäle ihren Wagen oder Gefährte benutzten, zog General Aëtius den Kopf ein, schlug den Kragen seines mit Ziegenfett eingeriebenen Wollmantels hoch und ritt im Unwetter weiter, den Unbilden des Wetters ebenso ausgeliefert wie sein einfachster Legionär. Er ritt genauso unbeirrt und ausdauernd wie sie. In den zahllosen Auseinandersetzungen mit Roms barbarischen Nachbarn hatte er das Kommando inne und kämpfte an der Seite seiner Männer im Tumult der vordersten Schlachtlinie, womit er sich den Unmut der anderen Generäle zuzog. Jedes Jahr kam eine neue Narbe hinzu.
Er war ein strenger, unerbittlicher Befehlshaber, der seinen Männern klarmachte, dass er, sollten sie ihm gegenüber jemals ungehorsam sein oder ein Einziger von ihnen im Angesicht des Feindes fahnenflüchtig werden, der gesamten Legion die alte Strafe der Dezimation auferlegen würde. Dies bedeutete, dass wahllos einer von zehn Männern vortreten musste und von seinen Kameraden auf dem Exerzierplatz zu Tode geprügelt wurde; für die Feigheit eines Einzelnen mussten also alle büßen. Niemand zweifelte daran, dass er dies auch in die Tat umsetzen würde. Doch er bekam nie Gelegenheit, es zu beweisen. Unter General Aëtius diente niemals ein Feigling.
Unter seinem Befehl und dem strengen Blick aus seinen blauen Augen schien die Armee wieder ein wenig von der Stärke und dem Kampfgeist von ehedem zurückzugewinnen. Dieser lag seit der Katastrophe von Adrianopolis im Jahr 378 danieder, als die Legionen von den Horden der Goten niedergemetzelt wurden, die von den Römern soeben als Flüchtlinge und Immigranten ins Land gelassen worden waren. Von diesem Schlag hatte sich die römische Kriegsmaschinerie nicht mehr erholt. Jahrelang war der Drill nur schwach gewesen, die Auseinandersetzungen mit dem Feind hatten nur vereinzelt und ohne eine gemeinsame Linie stattgefunden, und der Frieden mit den Barbaren war öfter mit Gold als durch eine erbitterte Schlacht errungen worden. Sogar die Rüstung der Legionäre wurde von Jahr zu Jahr dünner.
Aëtius sorgte dafür, dass die Rüstungen wieder mit feinsten Metallen beschlagen wurden, er inspizierte die Werkstätten selbst durch unangekündigte Stichproben. Jeder, der Nachlässigkeit an den Tag legte, wurde gnadenlos bestraft. Unermüdlich drillte er seine Truppen und drängte sie immerunerbittlicher in die Schlacht mit Roms zahllosen Feinden. Die Armee gewann an Stärke und Disziplin hinzu und wurde, wie
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