Der schwarze Krieger
verschlossen.
Der Patriarch setzte jedem das Diadem auf und verkündete dabei: «Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!»
Die Gemeinde sang: «Heilig, heilig, heilig, Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.»
Der Kaiser und die Kaiserin drehten sich um und schritten den Mittelgang zurück zum Ausgang, vorbei an den edelsten und reichsten Bürgern Konstantinopels. Unter ihnen war auch eine zutiefst gläubige Dame, die einen derart reich bestickten Umhang mit der Darstellung der blutrünstigen Todesqualen der Brüder Primus und Felician trug, dass die anderen Frauen um sie herum tuschelten, sie wolle die Braut ausstechen. Doch in Wirklichkeit war diese Gefahr gering, denn die Edeldame war bei weitem nicht so hübsch, wie sie selbst glaubte.
Als das frischvermählte Paar vorbeizog, schien die Kaiserin einen Moment langsamer zu werden und die hohe Frau direkt anzulächeln. Das Entzücken der Dame darüber, dass die Kaiserin sie derart auszeichnete, überwältigte sie. Sie stieß einen kleinen Schrei aus und presste sich ein Taschentuch auf den Mund, um gleich darauf wohl wegen des Weihrauchs in Ohnmacht zu sinken. Man brachte sie eilends durch eine Seitentür hinaus auf die Straße und besprengte sie mit Weihwasser.
Nach der Hochzeitszeremonie kehrten sie zum Palast zurück, den sie, flankiert von Wachen und Eunuchen, durch den Geheimgang betraten. Sie schritten die Wendeltreppe zur Kathisma empor, zur kaiserlichen Loge an der Nordseite des Hippodroms. Theodosius schlug das Kreuzzeichen über seine ihm ergebenen Untertanen, worauf einhunderttausend Menschen mit lauten Rufen erwiderten: «Lang lebe der Kaiser! Gott segne die Kaiserin!»
Es folgte ein großes Hochzeitsfest im Palast, das das kaiserliche Paar, unter einem Baldachin sitzend, verfolgte. Prinzessin Pulcheria war auf einen weniger bedeutenden Sitzplatz verwiesen worden. Sie aß sehr wenig, trank nichts und starrte die ganze Zeit nur finster vor sich hin. Als einejunge Sklavin zufällig gegen sie stieß, zwickte sie das Mädchen heftig in den Arm.
Schließlich folgte die Hochzeitshymne. Einer der meistbewunderten Dichter aus Rom war aus diesem Anlass per Schiff herbeigereist. Sein Name war Claudius Claudianus, ursprünglich kam er aus Alexandria. Er war nicht mehr ganz jung, doch seine Inspiration nahm mit den Jahren eher zu. Sein Hymnus war jedenfalls so lang und kunstvoll wie erwartet. Etliche Gäste entfernten sich während des einstündigen Vortrags mit einer Entschuldigung und kehrten überraschenderweise nicht mehr an die Tafel zurück.
Ich will hier nur die feingesponnenen letzten Verse der Hymne zitieren. Sie folgen auf Strophen, in denen Claudianus die Jungfräulichkeit der Kaiserin, die in der bevorstehenden Hochzeitsnacht überwunden werden sollte, aufs köstlichste geschildert hatte.
Haben deine Lippen und Glieder Ruhe dann gefunden,
Und Seele still bei Seele liegt, so sollt ihr beide schlafen,
Dann Morpheus stillt den heft’gen Atem.
Wenn rosenfingrig sieht der Morgen
Euch eng umschlungen in den Laken,
So spürt die Ruhstatt noch des Prinzen Drängen
Und neuer Purpur tränkt dann stolz das Lager.
Als er schließlich geendet hatte und sich die schweißnasse Stirn abtupfte, brandete enormer Applaus auf.
***
Kurz nach der Hochzeit des Kaisers und seiner wunderschönen neuen Kaiserin fand eine Bettlerin in einer Seitenstraßeam nördlichen Ende der Mese ein Säckchen mit Goldstücken in ihrer braunen Wolldecke, in der sie auf dem Boden schlief. Ein Verrückter, der mehr Geld als Verstand besaß, hatte sie wohl dort versteckt. Sie wartete ein paar Tage, für den Fall, dass jemand ihr unter Drohungen das Geld wieder abnahm. Doch niemand kam. Sie zog daraus den Schluss, dass Gott eben bis zu ihrem siebten Lebensjahrzehnt hatte warten wollen, bevor er sie mit Reichtum überhäufte. Doch die Wege des Herrn waren nun einmal unergründlich und wunderbar, und dieses Geld gehörte nun ihr. Sie würde damit eine kleine Wohnung oberhalb der Bäckerei ihres Freundes mieten und den Rest ihrer Tage glücklich und zufrieden leben können.
Dann war da ein blinder Bettler ohne Beine, der den ganzen Tag am Brunnen bei St. Irenäus saß und dort nachts vor Kälte zitterte. So auch an diesem Abend. Er zog sich, so gut es eben ging, den dünnen Umhang um die mageren Schultern und betete darum, dass der eisige Wind aus Asien aufhören möge. Plötzlich fühlte er, wie sich eine andere weiche, warme Hand auf seine
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