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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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entlassen müssen – du erinnerst dich doch wohl, so hoffe ich, an deine Lektionen in Logik, oder? Zum Beispiel an die drei Kategorien demonstrativ, persuasiv und sophistisch?»
    «Du bist gerade mal Ende zwanzig», sagte Aëtius und tätscheltemir den Arm, «und redest schon schlimmer wie ein Professor!»
    «Schlimmer als ein Professor», verbesserte ich ihn. «Der Komparativ wird mit ‹als› gebildet.»
    Er lächelte. «Das bisschen Logik, das ich gelernt habe, ist längst vergessen. Außerdem», fügte er hinzu, und das Lächeln verschwand, «befolgt die weite Welt, in die du mich entlassen hast, nur selten ihre Regeln.»
    Ich löste meinen Blick und sah zum Fenster hinaus. Im Hintergrund glitzerte das Goldene Horn, Möwen segelten tief in der Dämmerung.
    «Nachdem du an die Grenze gesandt worden warst, um dort das Soldatenhandwerk zu erlernen, wurde ich von Honorius’ Hof hierher geschickt. Es ist friedlich hier.» Ich sah ihn wieder an. «Doch was ist mit dir? Von mir gibt es nichts zu erzählen, und von dir? Was gibt es für Neuigkeiten?»
    «Wie ich höre, hat der Kaiser geheiratet», murmelte-Aëtius. «Das sind ja wohl wichtige Neuigkeiten, oder nicht?»
    «O ja», sagte ich schwärmerisch. «Athenais.»
    «Du sprichst von ihr wie ein Mann von seiner Geliebten.»
    «Pssst!», zischte ich erschrocken. «So etwas darf man nicht einmal denken!»
    Er lachte, ich aber funkelte ihn an. Er hatte am kaiserlichen Hof natürlich nichts zu befürchten, wir als Sklaven geborene Pädagogen dagegen eine ganze Menge.
    «Also», begann er, «diese Athenais   … Eudoxia, sollten wir wohl sagen. Wie ich höre, soll sie sehr schön sein?»
    «Pah!» Ich war noch immer verstimmt. «Das kannst du selbst entscheiden, wenn du ihr begegnest. In zwei Tagen kommt sie aus dem Sommerpalast in Hieron zurück.»
    «Was gibt es sonst für Neuigkeiten?»
    Ich zuckte die Achseln. «Keine. Du weißt es doch selbstganz genau. Bei niederen Schreibern wie mir gibt es keine Neuigkeiten. Generäle dagegen   …»
    «Möchtest du meine Neuigkeiten hören?»
    Ich nickte. «Selbstverständlich!»
    Er überlegte, seufzte auf und zog einen splittrigen Schemel aus einer Ecke heran, um sich darauf zu setzen. Nach einer Weile begann er. «Während meines letzten längeren Aufenthalts am Stützpunkt an der Donau, in Viminacium   …»
    «Halt, halt!», rief ich und spitzte rasch meinen Gänsekiel, so gut ich es vermochte.
    «Schreibst du all das auf?», fragte er.
    «Jedes Wort», erwiderte ich. «Für den Tag, an dem   …»
    Er zog die Augenbrauen in die Höhe. «Die Annalen des Priscus von Panium?»
    Schuldbewusst nickte ich. «Ich bin kein Tacitus, ich weiß. Aber   …»
    Er legte mir seine kräftige Hand auf den Arm und sagte: «Warte es ab. Wir leben in spannenden Zeiten   …»
    Unsere Blicke trafen sich. Beide begriffen wir die düstere Ironie, die in seinen Worten lag.
    Ich legte meine Hände aufs Schreibpult, tauchte den Federkiel ein und wartete.
    «Also gut», begann er. «Nachrichten vom Stützpunkt an der Donau.»
    ***
    Tag für Tag war es für mich ein Vergnügen, meinen Schüler Aëtius in seiner roten Generalstracht zu sehen, wie er mit einer für einen derart tatendurstigen Mann ungewöhnlichen Geduld den nicht enden wollenden Sitzungen und Versammlungen des Kaiserlichen Rates beiwohnte. «SeineLeistungen heben ihn weit über sein Alter hinaus, während seine Charakterstärke die Leistungen in den Schatten treten lässt», wie der heilige Gregor von Nazianz es einmal formulierte.
    Aëtius diente im Rat ebenso pflichtbewusst wie auf dem Schlachtfeld. An der Grenze war es einstweilen ruhig, es gab keine größeren Feldzüge, die bestanden werden mussten, und abgesehen davon war die Zeit der Sommerfeldzüge ohnehin so gut wie beendet. So nahm er gehorsam seinen Platz in dem großen Rund des Versammlungssaals ein, Theodosius auf seinem Thron in der Mitte, die Senatoren, Räte, Generäle und Bischöfe zu beiden Seiten des Kaisers. Um dieses Herzstück der kaiserlichen Regierung herum wimmelte der Palast nur so von Eunuchen, Sklaven, Kammerdienerinnen, lächerlichen Zeremonienmeistern und Titeln, aufgeblasenen Ehrerbietungen. Mein eigener Dienstherr, der Verwalter des Amts für heilige Freigebigkeit, stand an der Spitze eines der schlichteren Ministerien.
    Zwei Tage nach der Ankunft der kleinen Gesellschaft aus Ravenna kehrte die Kaiserin an den Hof zurück. Eine Woche hatte sie an den kühlen Springbrunnen in den Gärten des

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