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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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bestückten Hand ab.
    «Die Kaiserin hat dich bereits entschuldigt», sagte er. «Du wurdest heute Morgen anderswo gebraucht.»
    Niemand sonst hätte sich die Mühe gemacht, einen einfachen Schreiber bei Hof vor einer Standpauke zu bewahren. Doch genau so war Athenais: ebenso sehr geliebt um ihrer Herzensgüte wie auch ihrer Schönheit willen.
    Beides zusammen findet sich selten bei einer Frau.
    Ich war vernarrt in sie. Zuweilen machten sich meine Schreiberkollegen über mich lustig, ich aber betete sie an.
    ***
    Das also war die Lage im Palast und seiner herrschaftlichen Bewohner am Abend der Ankunft von Galla, Aëtius und ihres kleinen Gefolges, nur wenige Wochen nach der kaiserlichen Hochzeit. Es war eine mondlose Nacht, als sie vor dem großen, festungsartigen Gebäude mit seinen mächtigen Mauern aus rotem ägyptischem Granit ankamen. Es war ein Traumpalast, dessen Innenräume luxuriös mit Porphyr aus Ptolemais in Palästina, attischem Marmor, herrlichen Damaszenerteppichen, Elfenbein und Sandelholz aus Indien, Seidenbrokat und Porzellan aus China ausgestattet waren. Selbst die Nachttöpfe waren aus reinem Silber gefertigt.
    Die Flüchtlinge aus dem Westen wurden äußerst zuvorkommend behandelt, Galla Placidia und Theodosius waren schließlich Tante und Neffe: sie die Tochter und er ein Enkel von Kaiser Theodosius dem Großen. Vielleicht bewunderte die reine Pulcheria Galla noch mehr, als sie herausfand, dass die unkeuschen Nachstellungen eines Mannes zu ihrer Flucht geführt hatten.
    Man brachte sie in einigen der schönsten Suiten im kaiserlichen Palast unter, die auf das in strahlendem Sonnenschein daliegende Meer hinausgingen. Was für ein Unterschied zu den diesigen Sümpfen Ravennas! Sie wurden mit Gold, Edelsteinen und prächtigen Gewändern beschenkt. Galla war hoch erfreut über diesen Empfang, Aëtius dagegen schien weniger beeindruckt, aber er sagte nichts. Er kannte Konstantinopel schon lange.
    ***
    Am nächsten Abend hörte ich ein beherztes Klopfen an meiner Tür.
    Ich war gerade mit einer lästigen, aber notwendigen Rechenaufgabe für den Rechnungshof beschäftigt, ich musste Zahlen addieren. Wieder einmal wünschte ich, es gäbe ein Symbol   … Es klingt verrückt, aber ich wünschte mir, es gäbe ein Symbol für das Nichts, so wie ja die Ziffern auch alle etwas bedeuteten. Eine spezielle Ziffer, die «nichts» bedeutete. Nachdenklich kritzelte ich ein rundes «O» an den Rand meines Papyrus, um eine Leere, das Fehlen von etwas auszudrücken. Würde es das Addieren nicht erleichtern? Dann aber strich ich das «O» wieder aus – bestimmt machte ich mich damit nur zum Gespött bei meinen Kollegen. Ich gab ihnen ohnehin schon genug Anlass für Spötteleien, weil ich der Kaiserin so ergeben war.
    «Herein», sagte ich, ohne mich umzusehen.
    Die Tür ging auf, und jemand stand hinter mir. Noch immer sah ich mich nicht um, doch dann hielt ich dem Blick in meinem Rücken nicht mehr stand und schaute über die Schulter.
    Er war es. Mein Schüler. Mein lieber, so sehr vermisster,ernst dreinblickender, großer, schlanker Schüler. Ein General, mit fünfundzwanzig!
    Ohne zu überlegen, war ich aufgesprungen und hatte ihn umarmt. Das verstieß natürlich gegen jegliche Etikette, niemals durfte sich ein als Sklave geborener Lehrer einem Adligen unaufgefordert nähern, geschweige denn ihn umarmen. Doch Aëtius und ich waren stets mehr gewesen als nur Sklave beziehungsweise Lehrer und Meisterschüler. Auch er umarmte mich herzlich, seine blauen Augen schimmerten voller Zuneigung. Vielleicht dachte er auch mit leichter Belustigung daran, wie sehr er unsere langen Unterrichtsstunden gehasst hatte.
    Wir traten jeder einen Schritt zurück und sahen einander an.
    Es war gut, dass er wieder am Hof war, für wie lange auch immer. Allein seine Anwesenheit, wortkarg und stark, hatte etwas Beruhigendes in einer Welt, die von außen immer heftigeren Winden des Wandels ausgesetzt war, von innen dagegen ungesunden Ausdünstungen der Schwäche und des Wahnsinns. Was von Kaiser Honorius aus Ravenna berichtet wurde, klang nicht gut. Aëtius aber war der Fels in der Brandung, wie eine Granitsäule im Hagelsturm stand dieser schlanke junge Mann da und wich nicht zur Seite.
    «Nun», sagte er, die Hände auf meine Schultern gelegt, und sah zu mir herab. «Du arbeitest jetzt also hier in Konstantinopel?»
    Ich nickte. «Nachdem ich jahrelang als Lehrer tätig gewesen war und meinen besten Schüler in die weite Welt hatte

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