Der schwarze Krieger
mit stolzer Furcht und Ergebenheit erfüllte. Auf diese Weise wurden die Mannen von König Attila immer zahlreicher.
Weiße Hunnen und Gelbe Hunnen, seit Generationen verfeindet, versammelten sich nun in den Zelten von Attilas Gefolgschaft, und auf sein Drängen hin, sein vorsichtiges Drängen und gelegentlich auch dank seiner stolzen Ansprachen begannen sie, sich selbst als ein großes Volk zu begreifen. Ein Volk, das durch Blut, Sprache und die gemeinsamen Ahnen geeint war, die heldenhaften Söhne des Astur.
Das Treffen der verstreuten Sippen entwickelte sich zu einem riesigen Fest, das erst Tage, dann Wochen andauerte. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wurde gespielt und gefeiert, und jeden Abend wurde in den Zelten der Hunnen üppig gegessen und getrunken. Im Dunkel der heißen Sommernächte kam es zu neuen Verbindungen zwischen den Söhnen Attilas und den Töchtern der Fürsten und umgekehrt. Am nächsten Morgen waren die Wangen vieler Jungfrauen (die nun keine Jungfrauen mehr waren) gerötet und die Augen in einer Mischung aus Scham und lustvoller Erinnerung zu Boden geschlagen. Die Blicke vieler junger Männer wanderten von dem Ball in ihrer Hand zu einem demütig am Spielfeldrand sitzenden Mädchen; gar nicht wenige Bälle wurden nur zum Spott von den Mannschaftskameraden ins Aus befördert.
Attila selbst nahm sich mehrere blutjunge Frauen von den befreundeten Stämmen zur Frau. Nun gebe es keine neuen Namen mehr für seine Kinder, hieß es. Man munkelte, es seien mehr als zweihundert, aber niemand war sich wirklich sicher. Mit unerschütterlicher Heiterkeit und einem eisernen Willen herrschte er über das ganze Geschehen.
Einigen seiner treuesten Männer wie Chanat und Candac schien es, als würde sich das ganze Hunnenlager in ein einziges Chaos verwandeln, zumal der Sommer sich seinem Ende zuneigte. Bald würden sie ihre Tiere auf die Winterweiden treiben müssen, aber weil es so viele Menschen, Pferde und Herden waren, würden die Weiden bald abgefressen sein. Rugas Leute hatten nicht mehr als drei- oder viertausend Köpfe gezählt, mit noch einmal so vielen Pferden und Schafen. Jetzt aber waren sie zehnmal so viele, und die umliegenden Steppen waren bereits kahl gefressen.
Die Berater des Königs sahen schon erbitterte Fehden sich am Streit um Weideland entzünden, Fehden, die in blutige Sippenkämpfe bis hin zu Vernichtungskriegen ausarten würden. Kleiner Vogel sang erwartungsgemäß zu den Klängen einer halbzerbrochenen Leier Weisen, die jenes düstere, blutige Ende schon einmal heraufbeschworen.
Attila ließ sich in seiner strahlenden Heiterkeit jedoch kein bisschen irritieren. Er wirkte, als wäre das ganze Festtagschaos Teil eines größeren Plans, dessen Einzelheiten verborgen in seiner Brust schlummerten – was seine Anhänger offenbar auch bereits wussten. Sogar Chanat, der in den Staub spuckte und schimpfte, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, wusste in seinem tiefsten Inneren, dass sein König mehr Weitblick als er selbst besaß; mehr Weitblick als alle, die er je gekannt hatte.
«Wir sind zu viele», schimpfte er. Er und sein König undein paar Auserwählte standen auf einem kleinen Hügel und blickten auf das riesige Lager hinab. «Es gibt nicht genug Weideland für uns alle. Wir sind zu viele.»
«Im Gegenteil», sagte Attila. Er lächelte. «Wir sind zu wenige.»
Er rief die Oberhäupter der verschiedenen Stämme zu sich. Bald darauf standen sie erwartungsvoll um den kleinen Hügel versammelt. Es war Zeit für sie, Abschied von ihm zu nehmen und in ihre Heimatländer zurückzukehren, aber Attila hatte andere Pläne.
«Die unter euch, die nach frischen Weiden Ausschau halten wollen, mögen dies tun. Aber im Frühling werdet ihr in das Lager zurückkehren. Sobald der Schnee geschmolzen ist, ist das gutes Weideland hier.» Er deutete hinauf zum Mond, der als dünne Scheibe am morgendlichen Himmel noch zu sehen war. «Wenn der Mond zwölfmal ab- und zugenommen hat – und kein Mal mehr –, werde ich wieder da sein.»
Mehr sagte er ihnen nicht.
Seinen Bruder wies er an, während seiner Abwesenheit klug an seiner statt zu herrschen. Bleda brummte nur und nickte.
Dann stellte er eine Gruppe von hundert Männern zusammen. Zu den Auserwählten zählten seine acht engsten Vertrauten und seine beiden ältesten Söhne, Dengizek und Ellak, die sich in ihrer Freude wie junge Hunde gebärdeten. Die anderen neunzig suchte Orestes unter den Soldaten aus. Attila befahl den
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