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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Himmel bis zum Horizont herab zog sich der vielfarbige Regenbogen des Tengri, des Himmelsgottes. Weit hinten im Westen konnten sie die sich wie Schlangen in die Höhe windenden Nebelschwaden sehen, die von dem ausgedörrten Boden aufstiegen. Noch lange entdeckten sie immer wieder milchig schimmernde Hagelkörner unter den langen Halmen und hörten sie knacken unter den Hufen ihrer Pferde. Manchmal leuchteten sie auf, bevor sie schließlich schmolzen wie Perlen, die vergehen.
    Die Sonne brannte nun auf sie herab, und ihre speckigen wollenen Umhänge und die Pferde verströmten diesen typisch strengen Geruch von feuchtem Fell. Die Luft aber warerfüllt von dem süßlichen Aroma zertretenen Grases, und ihre Herzen wurden leicht.
    Plötzlich ergriff Attila seinen Bogen, spannte einen Pfeil und schoss ihn hoch in die Luft. Erst da erkannten seine Männer die große, dunkelgoldene Silhouette eines Adlers, der über ihnen dahinglitt. Sie zuckten erschreckt zusammen, es war Frevel, was Attila getan hatte. Doch natürlich drehte der Pfeil ab und segelte um Längen unter der Flugbahn des Adlers hinweg durch die Lüfte, weit davon entfernt, in seiner erbärmlichen Harmlosigkeit einen Gott zu töten. Gänzlich unbeeindruckt setzte der Adler seinen Weg fort. Seine bernsteinfarbenen Augen waren auf anderes in fernen Gefilden gerichtet, in Gebirgsregionen, die zu erkunden ihnen niemals gegeben sein würde.
    Ihr verrückter König richtete sich in seinem Sattel auf, drehte sich um und sah dem Adler nach. Sein Gesicht war der Sonne zugewandt, es glühte im flammenden Licht, seine goldenen Ohrringe glitzerten, er hatte den Kopf nach hinten geneigt und lachte sein wölfisches Lachen, die weißen Zähne gebleckt. Die Arme weit ausgebreitet, blickte er auf seine Männer.
    «Die Menschen, die auf einem rauchenden Schild geboren sind!», schrie er. «Die Menschen, die Pfeile abschießen auf der Suche nach den Göttern!»
    Astur, sein Vater, zog weiter westlich vorbei, gleichgültig und unbesiegbar.
    ***
    Eines Abends hielten sie an und banden die Beine ihrer Pferde zusammen. Attila schickte Wachen aus, sie zündeten Dungfeuer an und brieten sich etwas zu essen. Der Rauchstieg schmal und gemächlich in die windstille Nacht auf. Ein einsamer Wolf heulte in einem benachbarten Tal, sein Heulen klang so verloren, als habe die Landschaft selbst eine Stimme. Zwei Singschwäne flogen im Dämmerlicht vorbei. Das sanfte Schlagen ihrer Flügel übertönte das Knacken der Dungfeuer und war zusammen mit dem Geheul des Wolfs das einzige Geräusch in dem weiten Land.
    Einige von ihnen hielten es für eine gute Idee, einen flachen Windschutz aus Sätteln und Pferdedecken zu bauen und dann weitere Sättel und Decken aufeinanderzustapeln, um einen behelfsmäßigen Thron für ihren König herzustellen, damit er neben dem Feuer sitzen könne. Noch nie zuvor hatten sie etwas Ähnliches getan. Attila aber schalt sie und trat den Haufen wütend um. Mit den Sohlen seiner Stiefel aus Hirschleder trampelte er ein Stück des staubigen Bodens flach und setzte sich mit gekreuzten Beinen neben die anderen. Er zog sein Messer aus der Scheide, beugte sich vor und säbelte sich einen Streifen Fleisch von der brutzelnden Keule an dem eisernen Bratenspieß.
    Geukchu saß bei ihnen, während sie aßen, was ungewöhnlich war. Normalerweise zog er es vor, allein zu essen, wachsam wie ein Hund. Als er fertig war mit Kauen, nahm er einen Schluck Kumyss, um seine Zähne von Fleischresten zu befreien, reichte die Feldflasche weiter und sagte leise: «Wir werden verfolgt.»
    Attila nickte. «Eine Art Vorhut. Noch ist es nicht der eigentliche Trupp.»
    «Woher weißt du das?»
    Der König nahm ebenfalls einen großen Schluck Kumyss und sah lächelnd ins Feuer. «Wenn der eigentliche Trupp schon hier wäre, wüssten wir das längst.» Er warf einen Blick in die Runde seiner treuesten Männer. Alle hatten sie ihreAugen auf ihn gerichtet. Orestes, der etwas abseits saß und an einem Stock schnitzte, schien nicht zuzuhören. Doch er saß immer so da. Er hatte jedes Wort gehört.
    «Seht zu, dass eure Männer bereit sind, aber jagt ihnen keine unnötige Angst ein. In ihrer Phantasie sind die Budun-Boru Dämonen und Geister, Teufel, jenseits des Vorstellbaren. Man kann sie genauso wenig bekämpfen, wie man die Fluten eines Flusses mit Pfeilen zu stoppen vermag – Wolfsmenschen, die sich in Wölfe verwandeln und bei Mondlicht ihre Kameraden fressen. Aber es sind Menschen aus Fleisch und

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