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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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sie bereit zu sterben, in gewisser Weise warteten sie sogar darauf, so weit weg von zu Hause und so wenige,die sie waren. Aber sie würden kämpfend ihrem Untergang entgegentreten.
    Und dann, ganz allein und mehrere Tagesreisen von seiner Herde und seinem heimatlichen Weideland entfernt, ohne dass sie einen Grund dafür wussten, sahen sie plötzlich einen Auerochsen: einen massigen weißen Bullen, eines von den wilden Rindern, die frei in den Birkenwäldern im Norden umherstreiften. Das gewaltige weiße Tier stand da wie eine Statue, wie ein Wappentier, inmitten vereinzelter Felsbrocken, und ein Pfeil steckte tief in seinem Hals. Wieder dachten die Männer sofort an das gute Fleisch, das das Tier ihnen versprach, aber zugleich wussten sie, dass die unheimliche Kreatur nicht für sie bestimmt und somit tabu für sie war. Sie schauten genauer und erkannten, dass der Pfeil eine Form hatte, die ihnen unbekannt war.
    Es würde also nicht mehr lange dauern.
    Chanat ritt näher an das verwundete Tier heran, das sich umdrehte und seinen schweren Kopf in seine Richtung streckte. Er blieb in sicherer Distanz zu ihm, die rechte Hand leicht auf den Griff des Schwertes gelegt, das an der Seite herabhing. Ein ausgewachsener Auerochse, ob verwundet oder nicht, konnte mit einem einzigen Stoß seiner langen geschwungenen Hörner einem Pferd leicht den Bauch aufschlitzen.
    Er drehte sich seitlich und betrachtete das Tier. Nach einem Moment ritt er zurück.
    «Kutrigurische Hunnen», sagte er. «Die Budun-Boru.»
    Attila warf ihm einen skeptischen Blick zu. «So weit im Westen?»
    Chanat schüttelte sich leicht, als wollte er sich von irgendetwas befreien. «Alle Stämme ziehen in Richtung Westen, und das seit zwei Generationen. Sie meinen, dass das Herzder Welt und die Hochebenen niemals mehr Regen sehen werden.»
    Attila dachte nach.
    «Wer ist der Pfeilexperte unter uns?», höhnte Kleiner Vogel. «Und was weiß dieser magere alte Ziegenbock schon über die Pfeile der furchterregenden Budun-Boru?»
    Chanat drehte sich wütend zu ihm um. «Du wirst bald noch genug über die Pfeile der Budun-Boru wissen, wenn sie erst einmal in deinem vor Angst bebenden Fleisch stecken und du vor Schmerzen wimmern wirst wie ein aufgespießter Welpe!»
    Kleiner Vogel lachte und entfernte sich aus Chanats Reichweite. «Eine Pfeilspitze birgt so viel Wahrheit in sich, alter Chanat, wie das Lied eines schönen Mädchens.»
    Chanat hatte für den sich verziehenden Dummkopf nur noch ein Knurren übrig.
    Attila ignorierte sie beide. Er betrachtete unverwandt das unirdische Tier.
    Kein Blutstropfen befleckte sein weißes Fell. Der Auerochse stand reglos im Todeskampf auf dem Geröllhaufen. Ein letztes wütendes Brüllen schien sich gegen die eisige Ebene zu richten, die sich endlos zu beiden Seiten erstreckte, dann gegen den kalten Himmel selbst. Einem schmerzvollen Donnern gleich kam ein Echo vom Himmel, dann nicht mehr.
    Attila schüttelte den Kopf und sagte leise: «Lasst ihn. Das ist sein Schicksal.» Er nahm die Zügel auf und stieß die Hacken in die Flanken seines Pferdes. «Er ist nicht mehr von dieser Welt.»
    Nach dem verletzten Pferd und dem Auerochsen war da der Adler: eine Trias von Tieren oder Tiergeistern, die ein gutes Omen, ebenso aber eine Warnung bedeuten konnte. Ihr sollt nicht verzweifeln, schienen die Geister zu sagen: DasPferd wurde geheilt. Seid nicht vermessen: Der Bulle wurde nicht geheilt. Und drittens jetzt der für immer unberührte, unversehrte Geist, unerreichbar in seiner Vollkommenheit in der gepeinigten Welt der Menschen.
    Der Hagel kam aus dem Nirgendwo und ließ die Wiesen um sie herum unter einer dichten weißen Schicht verschwinden. Sie ritten weiter, aber dann prallte ein Hagelkorn von der Größe einer Kinderfaust auf die Schnauze von Orestes’ Pferd, wo es in tausend kleine Eisstückchen zerbarst. Das Pferd schüttelte den Kopf und wieherte verspätet, die Zähne gebleckt, ein Aufschrei der Empörung und des Schmerzes. Sie saßen ab, trieben ihre Pferde eng zusammen und suchten Schutz in diesem armseligen Unterschlupf, so gut sie konnten. Das Tosen des Hagelsturms war so laut, dass es ihnen die Sprache verschlug.
    Nur ein paar Minuten später verzogen sich die wütenden, gewaltigen Wolken und verschwanden in Richtung Osten, der Himmel war wieder blau und klar. Sie ritten weiter über die nun sonnenüberflutete Steppe, an deren umgeknickten Halmen noch über Meilen hinweg vereinzelte weiße Eistropfen hingen. Vom

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