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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Ordos.
    Kleiner Vogel legte sein Instrument weg. «Viele Königreiche sind aus Familienfehden hervorgegangen», sagte er. «Ich habe auch von der Sage gehört, dass Rom geboren wurde, indem ein Krieger namens Romulus seinen Bruder Remus erschlug.» Der kleine Schamane sah Attila an und lächelte.
    «Aber Motuns Königreich hatte keinen Bestand», entgegnete Attila. Er starrte in den Feuerschein. «Obwohl er über dreißig befestigte Städte im ganzen Gebiet der Mongolei und von Xinkiang herrschte und unser Volk – die Khunu, wie sie in der alten Sprache hießen – dem Chinesischen Reich an Stolz und Ruhm ebenbürtig war und obwohl Motun in seiner Hauptstadt namens Noyan Uul mit eiserner Hand regierte,wurden sie dennoch von China verachtet. Obwohl Khunu für sie selbst schlicht ‹das Volk› bedeutete, klang es für die Chinesen wie Xioung Nu, was in ihrer Sprache ‹die verruchten Sklaven› meint. Provozierend schleuderten sie ihnen diese Beleidigung entgegen.
    Zwischen ihnen brach Krieg aus, und die Chinesen fielen mit grimmigen Kriegern aus der Mandschurei im Land ein. Es folgten viele Jahre des Krieges, und Verrat löschte die Khunu aus. Am Ende lagen die dreißig majestätischen Städte in Schutt und Asche, und die stolzen Türme und Paläste von Noyan Uul waren niedergebrannt. Die wenigen Khunu, die nicht in der Schlacht gefallen waren, wurden gebrochen und hungernd hinaus in die Wildnis geschickt. Zahlreich sind die Völker, die von Reichen wie China vernichtet worden sind. Sie wichen nach Westen in die Weite Zentralasiens aus und verschwanden für immer.»
    Er nickte langsam, den Blick immer noch ins Feuer gerichtet. «Und an diesem Punkt wurden wir Khunu zu einem legendären, unwirklichen Volk des Ödlandes, wir wurden ärmliche vagabundierende Banden in der Wildnis, Zeltbewohner und, wie man uns nachsagte, Kannibalen, die den Kindern der Siedler auflauerten wie herumstreunende Hunde. Wilde in sandigen Lumpen und Fetzen, die Nachkommen von Hexen und Dämonen des Windes. Nun, lasst sie das glauben, wenn es ihnen das Blut in den Adern gefrieren lässt. Es waren unsere Väter.»
    So sprach Attila, und so erzählten es die Legenden der Hunnen, und wer wollte behaupten, das sei nicht die Wahrheit? Seit seinem Knabenalter kannte er die Geschichte, wie der Vater Roms, der fromme Aeneas, nachdem ein alter Feind ihn besiegt hatte, aus dem einstürzenden Troja nach Westen floh, den alten Anchises auf seinen breiten Schultern. Warendie Parallelen und Bezüge nicht verblüffend? Es hallte darin das Gelächter der Götter wider.
    Dann war da noch Kaiser Titus, der den Tempel von Jerusalem zerstörte und die Juden in die Welt hinaustrieb, sodass sie für immer als staatenloser und verfluchter Stamm leben mussten. Genau wie die Trojaner oder die Juden waren die Vorväter der Hunnen aus ihren einstürzenden Städten nach Westen geflohen, deren Namen selbst nun im Wüstensand verschwunden waren, außer dem des überragenden und majestätischen Noyan Uul. Und wie die Griechen das Verhängnis der Trojaner und die Römer das Verhängnis der Juden waren, so waren die Chinesen das Verhängnis der umherziehenden Hunnen. Aber es ist schwer, ein Wanderer zu sein, das Leben eines Nomaden besteht zu großen Teilen aus Verbitterung und stummem Ausharren.
    Einmal gab es einen Stamm, der im Römischen Reich in Erscheinung trat: Man nannte sie die Ampsivarii, auch sie Nomaden. Tacitus berichtet die gesamte Geschichte dieses Volkes in zwei knappen, typischen Sätzen. «Auf ihren endlosen Wanderungen wurden die Ausgestoßenen zunächst als Gäste, dann als Bettler und zuletzt als Feinde behandelt. Schließlich wurden ihre kampffähigen Männer ausgelöscht und die Jungen und Alten als Beute verteilt.» Von den Ampsivarii wissen wir nicht ein Jota mehr.
    Mit den Juden verhielt es sich fast genauso. Trajan zog in Erwägung, diesen lästigen und kriegerischen Stamm, der halsstarrig und hochmütig war und sich brüstete, das «Auserwählte Volk» zu sein, gänzlich auszurotten. Aber ist es nicht Wahnsinn, anzunehmen, man könne ein gesamtes Volk vernichten? Man denke freilich an die Ampsivarii, die jetzt samt ihrer Sprache, ihren Sitten, ihren Göttern vergessen sind. Oder an die Nasamonier an der Küste Libyens. Nein,niemand erinnert sich an sie, nicht einmal die Geschichte. Sie sind verschwunden, als ob es sie nie gegeben hätte. Einmal wagten sie es, zu rebellieren gegen die Steuern, die sie an Domitian zu entrichten hatten – und dieser

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