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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Texas eine noch größere Ausdehnung gewinnen.
    Seit 1869 durchschneidet die Pacificeisenbahn, dieses Wunder aller Eisenbahnbauten, die nordamerikanischen Prairien. Die ursprünglichen Bewohner der endlosen Grassteppen, die Rothäute oder Indianer, werden von der vorschreitenden Civilisation immer weiter zurückgedrängt: auch sterben sie durch die Berührung mit den Meißen massenhaft dahin.
    Im Gegensatze zu unseren traulich von Hecken und Waldrändern umhegten deutschen Wiesen besitzen die Prairien eine erhabene Unbegrenztheit, die gleich der Unermeßlichkeit des Oceans den menschlichen Sinn mit ehrfurchtsvoller Ahnung der obwaltenden Schöpfermacht erfüllt. Ueber einen derartigen Eindruck der Prairie läßt der Schriftsteller Sealsfield seinen Oberst Morse sich also äußern: »Ich habe mir, so mag ich wohl sagen, einen lebendigen Gott gewonnen, einen Gott, den ich früher nicht kannte; denn jener, den ich in der Prairie kennen gelernt, ist mein eigener Gott, mein Schöpfer, der sich mir in der Herrlichkeit seiner Werke geoffenbart, der mir von dieser Stunde an vor Augen stand und stehen wird, solange Odem in mir ist.«
    Von unseren deutschen Wiesengräsern unterscheiden sich die Gräser der Prairien, wie schon oben angedeutet, durch starre, steife Haltung und hügeligen Wuchs. Ebenso weichen die den Prairiegräsern eingemischten Blütenpflanzen durch staudenartige Höhe und dichte Gruppierung von unseren Wiesenblumen ab. Das wichtigste Gras der Prairie ist das Büffelgras,
Tripsacum
oder
Sesleria distichoides.
»Wo nichts mehr gedeiht,« sagt Karl Müller in seinem »Buch der Pflanzenwelt«, »wo der Boden immer schlechter und sandiger wird, gibt dieses wohlthätige kurze Gras allein seine Herrschaft nicht auf und ernährt, im Vereine mit eigentümlichen Kleearten, den Bison und den Büffel, welche in zahlreichen Herden den endlosen Grasocean westlich vom Mississippi wild durchschweifen. Aus diesem Grunde ist auch das Gras bezeichnend Buffalogras genannt worden, und nicht mit Unrecht könnte es die eigentliche Lebenspflanze der Prairien heißen. Denn wie an dieselbe das Leben der wilden Rinder gebunden ist, ebenso knüpft sich das Leben der in mannigfache Stämme zerspaltenen Prairie-Indianer an diese Herden, und zwar in so bedeutender Art, daß die Ausrottung der Büffel sofort auch das Aussterben jener Indianerhorden nach sich ziehen müßte.«
    Auffallend ist in der eigentlichen oder »westlichen Prairie« die Armut an baum-und strauchartigem Pflanzenwuchs. Die Ursache dieser Armut finden einige in den zahllosen Büffelherden, welche allen jungen Baumwuchs zertrampeln, andere in den häufigen Prairiebränden, welche alles Strauchwerk versengen.
    Ja, diese Brände, sie sind die furchtbarste Erscheinung der Prairie! Der Ocean hat seine Stürme, die Prairie ihre Brände. Dort schlingen die kalten Wogen alles hinab, hier verzehren alles die heißen Flammen. Dort winkt dem Menschen ein Wellengrab, hier ein Flammengrab. Das eine wie das andere ist grausig; doch am grausigsten dünkt uns das letztere. Wer diesem Grabe entrinnt, hat freilich ein Schauspiel erlebt, dessen furchtbare Pracht von keiner anderen Erscheinung erreicht wird.
    Hören wir den Bericht eines Augenzeugen.
    Der Amerikaner J.T. Irving hatte sich auf einem Jagdzuge durch die Prairie beim Verfolgen von Truthühnern, welche den Jäger in einen Grenzwald gelockt hatten, von seiner Gesellschaft getrennt. Der hohe Stand der Sonne mahnte ihn endlich, daß es nahe am Mittag und daher Zeit sei, sich wieder an seine Gefährten anzuschließen.
    »Ich verließ nun den Wald,« erzählt Irving, »und richtete meinen Weg über die offene Prairie nach der Gegend, wo ich die Spur der Reisetruppe finden mußte. Aber vergebens strengte ich mein Gesicht an, beschleunigte ich meine Schritte, schaute ich mich um, verschoß ich mein Pulver. Nichts war zu sehen, kein Laut zu hören. Das hohe Gras ward von dem Winde durchweht, aber ein lebendiges Wesen war nicht zu sehen. Die Prairie war eine Einöde. Ich fing nun an zu fürchten, daß ich über die Spur der Gesellschaft bereits hinausgekommen sein möchte; aber doch schien es mir wieder unmöglich, daß ich die Tritte eines so großen Zuges hätte übersehen sollen. Mit hastigen Schritten erstieg ich einen Hügel, der eine weite Aussicht gewährte; eine Wildnis von Grasflächen und kleinen wellenförmigen Hügeln breitete sich vor meinen umherspähenden Blicken aus; aber von meinen Gefährten war nichts zu entdecken:

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