Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
bewaffnet. Die ersteren trugen außer ihren dünnschaftigen Flinten noch lange Lanzen, deren breite scharfe Stahlspitzen im Lichte der untergehenden Sonne glänzten. Der Schech el dschemali, welcher als Führer voranritt, war der dunkelste von ihnen und hatte fast negerartige, keineswegs vertrauenerweckende Gesichtszüge. Die letzteren beiden hätte man für Europäer halten können, und wenn sie das nicht waren, so stammten sie gewiß wenigstens aus dem Gharb, einem der nordafrikanischen Gestadeländer.
Der Falke stieß hoch oben in der Luft einen lauten schrillen Schrei aus. Als der Führer denselben vernahm, glitt ein befriedigtes Lächeln über seine bisher unbewegten Züge.
»Chabir – Führer, hast du den Vogel gehört?« rief ihm einer der beiden zu.
»Na’m, Sihdi – ja, Herr,« antwortete er.
»Wäre der Falke ein zahmer, so müßten Menschen in der Nähe sein. Ich halte ihn für einen wilden.«
»Hehk – so ist’s!« antwortete der Führer kurz, indem es wie Schadenfreude um seine aufgeworfenen Lippen zuckte.
»Wann kommen wir zum Ruheplatz?«
»’an kharihb – bald.«
»Und werden wir dort sicher sein?«
»S’lon bilamahn – wie in Allahs Schoß« –
Der im Westen sich fast parallel bewegende Zug war jedenfalls eine Kafilat et tayyara, eine fliegende Karawane. Sie bestand aus vierzehn wohlbewaffneten dunkelfarbigen Männern, welche alle sehr gute Reitkamele ritten. Eins derselben war ein kostbares graues Bischarihnhedschin. Derjenige, den es trug, schien der Anführer zu sein. Er hatte die Kapuze seines weißen Haïk zurückgeschlagen. Er war, wie seine Begleiter, ein Tedetu vom Stamme der Kra-an; doch zeigte sein kurzes wolliges Haar, daß Negerblut in seinen Adern floß, ein Umstand, dessen sich unter den Tibbu niemand zu schämen pflegt.
Auch er hörte den Schrei des Falkens.
»Ikh, ikh!« rief er, und auf diesen Befehl hielt sein Hedschihn an. Die anderen sammelten sich um ihn. »Hamdulillah – Allah sei Dank!« meinte er. »El Aswad führt sie uns in die Hände. Es ist ihm gelungen, sie zu täuschen. Wenn wir uns nun gerade nach Osten wenden, werden wir ihre Darb (Spur) erreichen und dieselbe lesen können. Ich werde den Sakr rufen.«
Er steckte einen Finger in den Mund und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Der Falke hörte ihn trotz der großen Entfernung und schwebte nach wenigen Augenblicken über den Reitern.
»Ta’ ahl – komm her!« befahl der Reiter.
Der Vogel ließ sich gehorsam auf den hohen Knopf des Sattels nieder, wurde dort an einer Kette befestigt und erhielt eine lederne Haube aufgesetzt. Dann bogen die Reiter in einem rechten Winkel von ihrer bisherigen Richtung ab und hielten langsam gerade nach Osten zu, der Anführer immer an der Spitze des Zuges.
Als sie ungefähr eine halbe Stunde geritten waren, hielt er an, deutete in die Ferne und sagte nur das eine Wort:
»Hunahk – dort!«
Aus der Richtung, in welche er zeigte, sah man Lanzenspitzen schimmern. Die Vierzehn zogen sich vorsichtig hinter die Sanddünen, zwischen denen sie hielten, zurück und setzten erst nach einer Weile ihren Ritt fort. Bald erreichten sie die Spur der anderen Karawane. Der Anführer ließ sein Tier niederknieen und stieg ab, um die Fährte zu untersuchen.
»Dreißig Hawawihn (Tiere),« sagte er. »Es sind die, welche wir verfolgen. Am Bir Fetna wird Allah sie in unsere Hände geben, und dann werden wir die Beute teilen und reicher sein als je zuvor. Laßt uns ihnen jetzt langsam folgen, damit El Aswad uns nicht so lange zu suchen hat!«
Es war klar: die vierzehn Reiter bildeten eine Gum, eine Raubkarawane, und El Aswad, der Führer der Handelskarawane, war ihr heimlicher Verbündeter. Er wollte diejenigen, welche sich ihm anvertraut hatten, in die Hände der Wüstenräuber liefern. Er hatte sich nur zu diesem Zwecke von den nichts ahnenden Reisenden als Chabir engagieren lassen. Daß die Räuber arabisch sprachen und nicht ihren Tedagadialekt, war ein Zeichen, daß sie ihre unheimlichen Züge weit über die Grenzen ihres Stammes hinaus zu unternehmen pflegten.
Während sie den Spuren folgten, erreichte die Sonne den Horizont; aber den Reitern fiel es gar nicht ein, anzuhalten, um das Abendgebet zu sprechen. Es wurde sehr schnell dunkel; dann stieg das Kreuz des Südens auf, und beim Scheine der Sterne wurde der Ritt fortgesetzt, bis die Kamele von selbst ihre Schritte beschleunigten; das deutete darauf hin, daß das Wasser er Oase in der Nähe sei. Der Anführer ließ
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