Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
halten. Seine Leute stiegen ab und lagerten sich im Sande. Da warteten sie mehrere Stunden lang, bis sich ganz in der Nähe das leise Bellen eines Fennek, eines Wüstenfüchschens, hören ließ. Der Anführer beantwortete dasselbe, und bald tauchte der Führer der anderen Karawane aus dem Dunkel auf. Der erstere empfing ihn mit den Worten:
»Seit einer Woche habe ich deine Stimme nicht vernommen, obgleich wir stets in deiner Nähe gewesen sind. Heute sind wir am Bir el amwat (Brunnen der Toten) angelangt, an welchem wir schon viele den Tod haben trinken lassen. Nun werden wir endlich erfahren, wer die Herren deiner Kafila sind.«
»Es sind zwei reiche Tuggar (Kaufleute) aus Tarabulus el Gharb (Tripolis), welche Waffen, Seide und andere Kostbarkeiten nach Bornu bringen wollen. Sie sind begleitet von sieben Beni Riah, welche wir nicht zu töten brauchen, weil sie sich nicht verteidigen werden. Von Temissa habe ich sie über Wau gerade in die Wüste geführt und dir nach dem Duar (Lager) Nachricht geben lassen. Jetzt schlafen sie am Bir Fetna (Brunnen der Akazien), und ich werde euch zu ihnen führen.«
»Welchen Namen tragen sie?«
»Der eine wird nur Abu el Hamaïl genannt, weil er zwei Kurans am Halse hängen hat, und der andere heißt Halef Ben Dschubar.«
Hamaïl ist ein Kuran, welchen man sich in Mekka kauft und dann zum Zeichen, daß man ein Hadschi ist, sichtbar am Halse trägt.
»Zwei Hamaïls? So war er zweimal in der Stadt des Propheten und ist ein sehr frommer Mann. Aber er wird dennoch heute sterben müssen, denn wir brauchen seine Sachen. Allah wird ihm das ewige Leben geben, und ich werde ihm einen Ihram weihen, wenn ich selbst nach Mekka komme. Auch mein Vater war zweimal dort. Er hatte zwei Hamaïls Eins davon hat er einem Manne geschenkt, welcher ihm das Leben rettete, als die Tuareg-Kel-Tinalkuhm ihn töten wollten. Allah danke es ihm im siebenten Himmel. Jetzt macht euch bereit, ihr Männer! El Aswad wird uns führen.«
Die Männer hatten nicht nur einmal einen Ueberfall ausgeführt. Sie wußten, was sie zu thun hatten. Sie entledigten sich ihrer weißen Haïks, durch deren schimmernde Farbe das Anschleichen erschwert gewesen wäre, und ließen auch die Schußwaffen zurück. Nur die breiten, scharfen, dolchartigen Sekakihn nahmen sie zu sich. Dann folgten sie dem voranschreitenden Verbündeten nach der nahen Oase.
Da, wo der Brunnen aus der Erde quoll, war er von einem Gebüsch ägyptischer Akazien beschattet, daher sein Name Bir Fetna. Die Reisenden hatten sich von ihren Kamelpaketen eine Art Umwallung gebaut, innerhalb deren sie schliefen. Das von trockenem Kamelsmist genährte Feuer war fast am Verlöschen. Alle schliefen nach dem anstrengenden Ritte fest. Sogar die Wache, welche in einer Ecke kauerte, zwei Lanzen in der Hand, war vor Müdigkeit eingeschlafen.
»Das ist das Hamaïl meines Vaters.«
Der eben hinter den beweglichen Sanddünen aufgehende Vollmond beleuchtete die Scene mit südlicher Intensivität, vor welcher das Licht der Sterne verschwand. Er sollte den zwei Kaufleuten zum letztenmal leuchten.
Die Mitglieder der Raubkarawane legten sich zur Erde, von welcher ihre halb nackten, dunklen Leiber nicht zu unterscheiden waren, und schlichen sich unhörbar näher. Sie erreichten die Umwallung. Die Köpfe erhebend, blickten sie vorsichtig über dieselbe hinweg. Der Anführer wählte sich diejenige Stelle, an welcher die beiden Kaufleute lagen. Der eine derselben lag schnarchend auf dem Rücken, in seinen Haïk gehüllt. Der andere lag auf der linken Seite und hielt selbst im Schlafe sein Gewehr fest in der Hand. Da bog sich der Anführer über die Umwallung herüber und erhob seine Waffe zum tödlichen Stoße. Diesen Stoß erwarteten rundum seine Genossen, um dann unter fürchterlichem Geheul das übrige zu vollbringen.
Aber was war das? Der Tedetu hielt die Hand starr erhoben, stieß aber nicht zu. Sein Blick war auf ein Gepäckstück gerichtet, welches zu Häupten des Kaufmannes lag. Auf diesem wohlverschnürten Pack lagen zwei Bücher – zwei Hamaïls, welche der Schläfer vom Halse genommen hatte, um bequemer liegen zu können. Sie lagen nebeneinander, und dasjenige zur rechten Hand war an der Schnittseite des Buches mit einem starken, metallenen Schlosse versehen, dessen eigenartige Arbeit im hellen Mondenscheine sehr deutlich zu erkennen war.
»Essuwal ‘an ehsch – was gibt’s denn?« fragte leise einer der beiden, welche hinter dem Zögernden kauerten.
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