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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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»Stoß doch zu!«
    »Allah akbar – Gott ist groß!« antwortete er, indem er den Arm sinken ließ. »Das ist das Hamaïl meines Vaters. Allah hat verhüten wollen, daß ich den Retter meines Vaters töte!«
    »Waih! Willst du die große Beute fahren lassen? Ist er auch der Retter?«
    »Ich werde es sogleich erfahren. Wenn er es ist, so Wehe einem jeden von euch, der es wagen sollte, einem dieser Leute ein Haar zu krümmen oder ihnen das kleinste Stäubchen ihres Eigentums zu rauben!«
    Dann rief er laut:
    »Hadschi Omar Ben Kuwwad Ibn Hanßari!«
    Im Nu sprang der Schläfer auf.
    »Wer ruft mich?«
    »Bist du der, den ich nannte?«
    Erst jetzt sah der Kaufmann, daß sein Lager von fremden Gestalten umringt war. Er nahm schnell sein Gewehr empor, antwortete aber:
    »Ich bin es, wer seid Ihr?«
    »Hast du dieses Hamaïl geschenkt erhalten?«
    »Ja, von einem Scheik der Tibbu, Namens Arun es Saleta.«
    »Das war mein Vater. Ich bin Nowad Ben Arun es Saleta. Der Engel des Todes streckte bereits seine Hand nach dir aus und da – – –«
    »Allah Kerihm – Gott ist gnädig!« rief der Kaufmann erschrocken.
    »Ja, Allah ist gnädig. Er hat dich errettet. Wir sind die Gum, und du befindest dich am Brunnen des Todes. Bereits schwebte mein Messer über dir, da erblickte ich das Hamaïl. Jetzt nun bist du bei uns so sicher wie unter den Zelten der Seligen, du, deine Begleiter und dein Eigentum. Und wir werden dich begleiten über die Berge und durch die jenseitige Hammada. Sag’ nur das Wort, welches du zu sagen hast.«
    Die Angreifer standen draußen vor und die erschrockenen Glieder der Handelskarawane innerhalb der Umwallung. Der Kaufmann erkannte die Gefahr, aus welcher ihn nur dieses Wort erretten konnte. Er sagte es:
    »Dakilah ya Scheik – ich bin der Beschützte, o Herr!«
    »Dakilah ya Scheik!« – riefen auch alle seine Gefährten.
    »Ja, ihr seid die Beschützten!« antwortete der Räuber. »Ihr seid unsere Brüder. Das Hamaïl hat euch vom Tode errettet, und nun sagen wir euch den Gruß: Alah wa sahla wa marhaba – ihr sollt uns alle willkommen sein! – – –«

Ein Phi-Phob
    Am östlichen Ufer des Pjamelan, eines Armes des Irawaddi, steht ein berühmter Banyanenbaum. Er hat weit über hundert größere und gegen ein halbes tausend kleinere Stämme. Glänzende Lorbeer-und vielästige Myrtengewächse stehen neben breitblätterigen Pisangs und feinrispigen Bambusrohren in seinem Schatten. Behende Affen und bunte Eichhörnchen jagen sich an den Adventivwurzeln oder an dem Schlingwerke des Rotang auf und ab, und die Prachtvögel Indiens nisten sich zu Tausenden unter dem weiten Laubdache.
    Auch eine sehr gemischte menschliche Gesellschaft lagerte unter demselben. Da waren zwei Engländer, nämlich Mr. Phelps und Mr. Shower, ein chinesischer Händler, Namens Fi, welcher sich aber Yao-Tschang-Ti, das ist Schuldeintreiber, nannte, ein Lao-pung-khao und ein Lao-pung-dam, d.h. ein weißleibiger und ein schwarzleibiger Lao, zwei Kadun und endlich noch zwei hier geborene Pegu -Birmanen.
    Der Chinese hatte zwei alte Säbel umgeschnallt, gab sich bei der Gesellschaft den Titel eines Tschung-fu, d.i. Oberstlieutenant, und machte den Dolmetscher zwischen den Engländern und den Hinterindiern. Trotz seiner Säbel war er eine sehr große Memme.
    Die Eingeborenen gingen barfuß und trugen nichts als dünne Röcke mit langen Aermeln; die beiden Laos hatten gar nur das Languti, ein Stück Baumwollenzeug, um die Hüften geschlungen, und bewaffnet waren sie alle mit im Lande gefertigten Katschinflinten, das Stück für 20 Mark zu haben.
    Die Gesellschaft befand sich beim Mahle, welches nur aus gebackenen Fischen bestand. Dabei führte man ein Gespräch, welches einen sehr interessanten Gegenstand zu behandeln schien, denn jeder gab sich Mühe, so laut wie möglich zu schreien, und der chinesische Tschung-fu rasselte entsetzlich mit seinen beiden Schlepphiebern. Nur die Engländer schwiegen, denn Mr. Phelps hatte einen halben Fisch im Munde, und Mr. Shower versuchte vergeblich, einer »importunaten« Gräte beizukommen, welche ihm zu weit hinter geschlüpft war.
    » Tin schat kwei tin, ti schat kwei ti – alles Unheil vom Himmel kehre zum Himmel zurück, und alles Unheil von der Erde kehre zur Erde zurück!« rief der Chinese. »Ich stamme von den Pat-phai, von den acht berühmten Stämmen und fürchte mich nicht! Wenn der Tschu-Kia-Tschin, der Priester, gesagt hat, daß die Mang-thra’s die böse That begangen haben, so

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