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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ist’s wahr, oder scherzen Sie?« – »Mit Schlangenmenschen scherze ich nich!« erwiderte ich, indem ich mit der Hand eene reservierte, zurückhaltende Phantomime machte, und das »nich« mit schtarker Energie extra betonte. – »Halten Sie uns denn für so gefährlich?« erkundigte er sich. – »Nee, das nich. Es gibt off der ganzen Erde keene Kreatur, welche dem Hobbelfrank gefährlich werden könnte. Wie ich dem kühnsten Indianer gegenüber unverwundbar gewesen bin, so würde ich noch für den stärksten Löwen unzerreißlich sein. Ich würde selbst über die größte Baobab Conschtrictor lachen; aber für een Wesen, welches halb anthropologischer Mensch und halb zoologische Schlange is, kann sich mein Gefühl unmöglich zu traulicher Sympathie rekonschtruieren. Bleiben Sie mir also vom Leibe und ziehen Sie den Schtiefel wieder an!«

    Der Schlangenmensch. Viertes Bild.
    Das war doch so deutlich geschprochen, daß sogar ich es wußte, was ich damit meente; er aber schtellte sich unempfindlich und antwortete, indem er simulierte Freundschaft heuchelte: »Lernen Sie mich nur erst kennen, Herr Frank, dann wird meine Gegenwart Ihnen nicht mehr so unsympathisch sein! Ich bin einer Ihrer größten Bewunderer. Ich kenne Ihre Erlebnisse aus dem ›Guten Kameraden‹, und habe in diesem Blatte gelesen, daß Sie nach Ostafrika seien. Seit wann sind Sie denn wieder zurück?« – »Seit noch gar nich, da ich mich nämlich eben jetzt off der retourkehrenden Zurückreese befinde. Wie ich da höre, is mir Ihre Seele off nummerierten Geistesschwingen nach Sansibar gefolgt, und dennoch meenen Sie, daß ich Sie für gefährlich halte! Der Hobbelfrank! In Sansibar gewesen! Und sich fürchten! Begreifen Sie denn nich, daß dies eene adäquate Entheiligung meiner Würde und meiner confundierten Lorbeeren is? Furcht kenne ich nich. Nur Ihre schlangenmenschliche Doppelnatur is es, die mich
ibi fibi
macht.«
    »Das thut mir leid. Ich bin Verrenkungskünstler, und Sie sind einer der hervorragendsten Mitarbeiter des ›Guten Kameraden.‹ Viele Ihrer jungen Leser haben noch keinen Schlangenmenschen gesehen, und würden sich gewiß freuen, von Ihnen etwas über mich in ihrem Lieblingsblatte lesen zu können. Sind Sie nicht derselben Ueberzeugung, Verehrtester?«
    Mit dieser Frage karambolierte er mich an der richtigen illegitimen Schtelle meiner litterarisch exmittierten Wirksamkeet.

    Der Schlangenmensch. Zweites Bild.
    Ich dachte an meine lieben Kamerädchens, überwand den Schtandpunkt, der mich von ihm trennte, und bat ihn, von diesem überwundenen Schtandpunkte aus, mir von seiner Kunst und Wissenschaft een autochthones Plädujeh zu geben. Er zeigte sich sofort bereit dazu, zog een Päcktchen Photogrammaceen aus der Tasche, gab es mir und sagte:
    »Hier, Herr Hobbelfrank, verehre ich Ihnen diese Bilder, damit Sie den Aufsatz, den Sie schreiben werden, auch illustrieren können; sie sind nach der Natur aufgenommen und also richtig.«
    Ich steckte die Naturgemälde ein und antwortete in meinen verbindlichsten Toncontervallen:
    »
Merci Monsignore!
Ich werde diese Bilder vom Kupferstecher so genau durchpausen lassen, daß man sie für in Schtahl geschnittene Aquarelle halten soll. Durch diese Illustrationen erwerben Sie sich die Dankbarkeet meiner kleenen, instruktiven Kameraden, die mit Vergnügen Ihren Ruhm über die ganze kosmetische Welt verbreiten werden.«

    Der Schlangenmensch. Drittes Bild.
    Das schien ihn zu begeistern, denn sein Gesicht glänzte vor Freude grad wie der Mond, wenn er neuwaschen aus dem ersten Viertel schtrahlt. Und nun begann er, mir über seine Kunst een Privatissicum zu lesen, welches meine ganze Aufmerksamkeet in Anspruch fesselte, und ooch meine Kamerädchens sehr verinteressieren dürfte. Ich will versuchen, seine Darschtellung hiermit kurz zu reconproduzieren.

    Der Schlangenmensch. Fünftes Bild.
    Zunächst erklärte er mir, daß nich jeder Erdenbürger een Schlangenmensch sein kann, sondern der betreffende Supplikant muß gleich bei seiner Geburt een vexierbares Knochengeschtell und außerdem een Muskel-und Flechsensystem, welches sich leicht nach allen Regeln conjugieren und zugleich declinieren läßt, mit off die Welt bringen. Ferner muß er eenen Hals und een Rückgrat besitzen, welches er verschiedene Male ohne Schaden für sich brechen kann. Sind alle diese Repressalien vorhanden, so setzt der künstlerische Unterricht an, der ihm nach eenen ganz beschtimmten Schtundenplane beigebracht und

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